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Formel 1
18.07.2012

Renault Sport F1 blickt auf die Halbzeit in Hockenheim

Mit dem Großen Preis von Deutschland, zehnter von 20 Saisonläufen, erreicht die Formel 1-Weltmeisterschaft 2012 ihre Halbzeitmarke. In diesem Jahr findet der Deutschland-Grand Prix turnusmäßig in Hockenheim statt, im Vorjahr war der Nürburgring an der Reihe.

In seinem ursprünglichen Layout galt der Hockenheimring als Urgestein des Rennsports. Ein Großteil der 6,8 Kilometer langen Strecke bestand aus den furchterregenden Geraden durch den Hardtwald, die lediglich von drei Schikanen unterbrochen wurden. Seit dem Umbau 2002 misst die Strecke im Badischen nur noch 4,574 Kilometer, produziert aber eher spannendere Rennen als zuvor.

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Die berühmte Stadionsektion, das Motodrom, blieb unverändert – so wie die knisternde Atmosphäre dort. Auch der „neue“ Hockenheimring stellt eine echte Herausforderung für Chassis- und Motoren-Ingenieure dar. Etwa zwei Drittel der Strecke werden unter Volllast gefahren, der Rest besteht aus Passagen, in denen es auf kraftvolles Drehmoment bei niedriger Geschwindigkeit und gute Fahrbarkeit ankommt.

Renault errang in Hockenheim schon viele große Siege. Zwischen 1991 und 1997 gelangen sechs Erfolge in sieben Jahren, nach dem Umbau folgte ein weiterer Sieg mit Renault Power. Nigel Mansell eröffnete diese Serie 1991 im Williams-Renault und wiederholte den Triumph in seinem Weltmeisterjahr 1992. Alain Prost heimste den Hockenheim-Erfolg auf dem Weg zu seinem WM-Titel 1993 für Williams-Renault ein. Michael Schumacher feierte im Benetton-Renault 1995 einen umjubelten Heimsieg, Damon Hill holte 1996 eine weitere Trophäe für Williams-Renault, und Gerhard Berger erzielte hier 1997 im Benetton-Renault den letzten seiner zehn Grand Prix-Erfolge. 2005 gewann Fernando Alonso im Renault R25 auf dem neuen Kurs.

Der Große Preis von Deutschland im Überblick

Die Anforderungen an die Motoren liegen auf dem Hockenheimring etwa im Saisondurchschnitt, wobei der gleichmäßigen Kraftentfaltung ein etwas größeres Gewicht zukommt als üblich. Der Rundenschnitt liegt bei 225 km/h. Etwa 65 Prozent der Runde sind die Drosselklappen voll geöffnet. Auf der ersten Hälfte der Strecke erreichen die Fahrer drei Mal pro Runde Geschwindigkeiten über 290 km/h, zwei Mal sogar jenseits der 300-km/h-Marke: auf der Startgeraden, zwischen der ersten und zweiten Kurve sowie auf der langen Parabolika-Geraden.

Die Parabolika – die einen leichten Linksbogen beschreibt, aber als Gerade gilt – ist mehr als einen Kilometer lang. Damit spielt der Hockenheimring in einer Liga mit den Rekord-Geraden in China, Abu Dhabi und Südkorea. Im Badischen laufen die RS27-V8-Triebwerke von Renault in dieser Passage 14 Sekunden lang bei Volllast – eines der längsten Vollgasstücke der Saison.

Der langsamere Streckenteil beginnt mit der Haarnadel, die nur mit etwa 60 km/h genommen wird. Von dort führt ein kurzes Geradeausstück zu einer weiteren Kurvenkombination. Anschließend tauchen die Fahrer mit einem schellen Rechtsknick in das unvergleichliche Motodrom ein. Dieser kurvige und eher langsame Streckenteil verlangt nach guter Bremsstabilität und kraftvoller Gasannahme. Dies gilt besonders in der „Stadion“-Sektion, die mit durchschnittlich 200 km/h gefahren wird.

Sehr häufig stellt sich pünktlich zum Hockenheim-Rennen der Hochsommer in Deutschland ein – die Region zählt ohnehin zu den wärmsten der Republik. Die Hitze führt zu einem Phänomen, das die Motoren-Ingenieure als „Acoustic offset“ bezeichnen. Weil die heißere Außenluft weniger dicht ist, schwingt sie – besonders bei hohen Drehzahlen – auf der Einlassseite anders. Diesen Effekt kontern die Ingenieure durch den Einbau längerer Ansaugtrichter, die der längeren Wellenlänge der Luftschwingungen entsprechen. In diesem Jahr scheint es am Rennwochenende allerdings nicht sehr heiß zu werden, die Wetterprognosen gehen von durchschnittlich 20 Grad Celsius aus. Folglich dürfte der Ansaugtrakt unverändert bleiben. Die höhere Luftdichte bei kühlerer Witterung führt wiederum dazu, dass auf den drei langen Geraden in den Brennräumen ein höherer Druck herrscht.

Außer Melbourne und Valencia liegt der Kraftstoffverbrauch pro Kilometer auf keinem aktuellen Grand Prix-Kurs so hoch wie in Hockenheim. Das Beschleunigen aus der Haarnadel und das kurvige Motodrom treiben den Verbrauch dramatisch in die Höhe. Folglich werden die Boliden am Start eine der schwersten Spritladungen der Saison an Bord haben.

Der Hockenheimring aus der Sicht des Fahrers

Kimi Räikkönen, Lotus F1 Team: „Auch Hockenheim zählt zu den typischen ,Motor-Strecken‘, zwei Drittel der Runde stehen wir voll auf dem Gas. Wichtig ist, dass der RS27-Achtzylinder von Renault auch im oberen Drehzahlbereich viel Schub entwickelt, damit wir auf den langen Geraden richtig schnell sind. Zugleich kommt es in den engeren Passagen auf eine gute Traktion und viel Grip an. Gut, dass unser Motor beide Anforderungen erfüllt. Beim Großen Preis von Deutschland fühle ich mich immer sehr wohl, vier Pole Positions unterstreichen dies. Gleichzeitig habe ich bei diesem Formel 1-Rennen sechs Mal das Ziel nicht erreicht, eine Fortsetzung dieser Serie wünsche ich mir in diesem Jahr natürlich nicht. Aber unser Auto hat in dieser Saison hinlänglich unter Beweis gestellt, dass wir schnell und zuverlässig unterwegs sind – ich sehe keinen Grund, warum wir in Hockenheim nicht erneut um einen Platz auf dem Podium kämpfen sollen.“

Der Hockenheimring aus der Sicht des Motoren-Ingenieurs

Rémi Taffin, Leiter des Renault Sport F1 Einsatzteams: „Der badische Formel 1-Kurs, der alle zwei Jahre einen Grand Prix austrägt, hält für uns von Renault stets eine interessante Aufgabe bereit – denn 24 Monate sind in diesem Sport eine sehr lange Zeit, in der sich stets auch die Technik der Rennwagen enorm verändert. Dies betrifft das Chassis ebenso wie die Art und Weise, wie unsere Achtzylinder-Motoren in das Fahrzeug integriert werden. Aus diesem Grunde setzen wir zur Vorbereitung noch stärker auf Simulations-Technologien als bei Strecken, die wir jedes Jahr besuchen. Auch am Donnerstag und Freitag vor dem Rennen sind wir viel intensiver als üblich damit beschäftigt, die Daten der Prüfstände und Rechenprogramme mit den realen Werten abzugleichen.

Die Charakteristik des Hockenheimrings ähnelt jener von Silverstone. Der Kurs ist sehr flach, also ohne große Steigungen oder Gefälle. Und zu den längeren Geraden gesellen sich Kurven, die mit ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchfahren werden. Dies bedeutet für unsere RS27-Achtzylinder: Sie müssen über das gesamte Drehzahlband gleich gut funktionieren.

Fast alle unsere Partner setzen in Deutschland jene V8 ein, die bereits den Großen Preis von Großbritannien in Silverstone bestritten haben. Auf diese Weise können wir unseren Motoren-Pool vor der Sommerpause optimieren. Nach den Ferien stehen mit Spa-Francorchamps und Monza zwei Strecken auf dem Programm, bei denen die Leistung noch deutlicher in den Vordergrund tritt. Deswegen ist es uns lieber, dort mit frischen Aggregaten an den Start zu gehen, als in Hockenheim, das in dieser Hinsicht nicht ganz so materialintensiv ist.

Ein besonderes Augenmerk richten wir in diesem Jahr auch auf das Wetter. Normalerweise ist es in Deutschland am Rennwochenende immer sehr heiß. Jetzt aber müssen wir eher mit Temperaturen zwischen 16 und 20 Grad Celsius rechnen als mit den sonst üblichen 30 Grad. Deswegen werden unsere Motoren nicht anders funktionieren. Aber wir müssen der perfekten Feinabstimmung aller Parameter eine größere Aufmerksamkeit widmen. Einmal mehr steht uns also ein spannender Grand Prix bevor.“
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