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FIA WEC
07.11.2021

Porsche verliert Zweikampf um WM-Titel auf letzten Metern

Das Porsche GT Team hat das finale Rennen der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) auf den Positionen zwei und vier beendet. Im 8-Stunden-Rennen in Bahrain lag der Porsche 911 RSR mit der Startnummer 92 von Kévin Estre (Frankreich), Neel Jani (Schweiz) und Michael Christensen (Dänemark) in der packenden Schlussphase verdient in Führung und somit auf Titelkurs, wurde dann jedoch von einem Ferrari getroffen und drehte sich.

Eine Bestrafung des Konkurrenten durch die Rennleitung blieb aus. Das baugleiche, rund 515 PS starke Schwesterauto von Gianmaria Bruni aus Italien, Richard Lietz aus Österreich und Frédéric Makowiecki aus Frankreich beendete den sechsten und letzten Saisonlauf auf Platz vier der GTE-Pro-Klasse. In der Herstellermeisterschaft belegt Porsche zum Abschluss des Langstreckenjahres den zweiten Platz. Einen weiteren Erfolg verbuchten die Kundenteams Dempsey-Proton Racing und Project 1, die jeweils einen 911 RSR auf das Podest der GTE-Am-Kategorie brachten.

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„Ein trauriger Tag für Porsche Motorsport“, kommentiert Thomas Laudenbach, Leiter Motorsport. „Unser Mitbewerber hat unser führendes Fahrzeug umgedreht und auf diese Weise gewonnen. Dass durch die Rennleitung zunächst eine Strafe ausgesprochen und dann wieder zurückgenommen wurde, können wir nicht nachvollziehen. Größter Respekt gebührt unseren Fahrern und der gesamten Mannschaft. Alle haben fair und sauber über acht Stunden gekämpft und das Publikum begeistert. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Bis zu dem Ende des Rennens war es heute wirklich tolle Werbung für den Motorsport.“

„Für uns ein trauriges Ende eines enorm spannenden Rennens. Leider wurden wir von einem Konkurrenten von der Strecke gedreht“, fasst Alexander Stehlig, Einsatzleiter FIA WEC, seine Eindrücke zusammen. „Wir können die Entscheidung der Rennleitung nicht verstehen. Zunächst hieß es, dass die beiden führenden Autos nach dem Kontakt die Plätze tauschen müssen – unser Porsche wäre also wieder an die Spitze vorgerückt. Wenig später zog die Rennleitung diese Ansage während eines Boxenstopps unserer Nummer 92 zurück. So konnten wir unsere Ziele trotz eines fairen und offenen Kampfes nicht erreichen. Darum haben wir Protest eingelegt.“

Bis zu dem Finale waren sich die Protagonisten im harten Wettbewerb auf Augenhöhe begegnet und haben sich einen begeisternden Kampf über 7:45 Stunden geliefert. Nach dem Start übernahm Estre von der Pole-Position aus Platz eins, im weiteren Verlauf des Rennens wechselten sich die Spitzenfahrzeuge immer wieder in der Führungsarbeit ab. Kluge Entscheidungen der Strategen an der Box des Porsche GT Teams und makellose Vorstellungen der Fahrer sorgten dafür, dass Christensen am Steuer der 92 als Führender in die letzte Viertelstunde des Saisonfinales ging – bis Alessandro Pier Guidi (Italien) mit seinem Ferrari das Heck des Porsche 911 RSR traf.

Die Mannschaft im Schwesterauto mit der Startnummer 91 hatte in der zweiten Rennhälfte viel Pech. Der 911 RSR von Bruni, Lietz und Makowiecki übernahm in den ersten vier Stunden mehrfach die Führung, fiel aber zunächst wegen einer Boxenstoppstrafe zurück. Wenig später verursachte ein nicht optimal befestigtes Hinterrad erhebliche Vibrationen und in der Folge kleine Schäden hinten links. Das Team musste einen zusätzlichen Boxenstopp einlegen, zudem kämpfte Bruni fortan mit stumpfen Waffen und brachte den 515 PS starken Neunelfer auf Platz vier ins Ziel.

In der GTE-Am-Klasse wiederholten die deutschen Kundenteams Dempsey-Proton Racing und Project 1 ihre Erfolge aus der Vorwoche an gleicher Stelle. Christian Ried aus Deutschland, Werksfahrer Matt Campbell aus Australien und Jaxon Evans aus Neuseeland fuhren am Steuer des Porsche 911 RSR mit der Startnummer 77 auf Platz zwei. Das baugleiche Auto des Norwegers Egidio Perfetti und der beiden Italiener Matteo Cairoli und Riccardo Pera erreichte Rang drei. Das britische Team GR Racing kam auf Platz zehn, die Startnummer 88 von Dempsey-Proton Racing schied nach einem Dreher vorzeitig aus.

Das Porsche GT Team beendet die Saison 2021 nach sechs Rennen mit 277 Punkten auf Platz zwei der Herstellerwertung. In der Fahrermeisterschaft sammelten Kévin Estre und Neel Jani auf dem Weg zum zweiten Rang insgesamt 166 Zähler. Die Teamkollegen Gianmaria Bruni und Richard Lietz schlossen das Jahr mit 111 Punkten auf Position drei ab. In der Teamwertung der GTE-Am-Kategorie rangiert Dempsey-Proton Racing zum Ende des Jahres auf Platz drei.

Michael Christensen (Porsche 911 RSR #92): „Die Enttäuschung ist enorm! Unser Team hat perfekt gearbeitet und uns mit einer optimalen Strategie an die Spitze gebracht. In der letzten halben Stunde des Rennens bauten unsere Reifen stark ab. Ich musste alle Register ziehen, um vorn zu bleiben. Ich habe den Ferrari jederzeit mit fairen Mitteln hinter mir gehalten – doch dann hat er mich von der Bahn geschoben. Das war es dann mit der Siegchance und den Titelträumen.“

Kévin Estre (Porsche 911 RSR #92): „Wir haben hart und fair gekämpft, lagen verdient an der Spitze. Ein paar Minuten vor dem Ende kam es zur Kollision mit dem Ferrari. Zunächst gab es die Entscheidung der Rennleitung, dass er uns den ersten Platz zurückgeben muss. Während wir zum fälligen Tankstopp fuhren, wurde diese Entscheidung dann annuliert und wir haben unsere Position nicht zurückerhalten. Ich finde das nicht fair.“

Neel Jani (Porsche 911 RSR #92): „Wir waren Meister bis acht Minuten vor Rennende und haben es dann verloren. Wenn uns jemand schön überholt, dann haben wir damit kein Problem und er ist der verdiente Sieger – aber nicht mit einem Rammstoß. Das Team hat super gearbeitet und einen Topjob gemacht, die Strategie und die Boxenstopps waren mega. Bei Kévin und Michael kann ich mich für diese Saison nur bedanken.“

Gianmaria Bruni (Porsche 911 RSR #91): „Am Ende eines solchen Rennens bin ich ganz ehrlich froh, dass es vorbei ist. Es sah zwischenzeitlich so gut für uns aus. Wir lagen in Führung und waren richtig schnell. Dann gab es einen schlechten Boxenstopp, anschließend einen Defekt und auch noch eine Strafe. Es ist bei uns sehr viel nicht so gelaufen, wie wir es uns erhofft hatten. So ist es leider manchmal im Motorsport. Wir machen schnell einen Haken daran.“

Richard Lietz (Porsche 911 RSR #91): „Ich glaube, man kann gar nicht lange genug Motorsport machen, um alles gesehen zu haben. Das ganze Rennen war eigentlich spannend und schön zu verfolgen – bis zum Kontakt mit der 92. Was danach kam, war aus meiner Sicht sportlich sehr fraglich. Unser eigenes Tempo war gut, der Porsche ließ sich gut fahren. Aber wir haben auf eine riskante Strategie gesetzt und leider verloren.“

Frédéric Makowiecki (Porsche 911 RSR #91): „Die Kollegen in der Startnummer 92 tun mir wirklich sehr leid – so sollte der Kampf um die Weltmeisterschaft niemals entschieden werden. Wir betreiben Sport. Zum Sport gehört Fairness. Diese habe ich am Ende des Rennens nicht mehr entdecken können. Ich kann mir genau vorstellen, wie viel Enttäuschung nun im Team herrscht. Bei uns lief es zunächst sehr gut. Wir hatten ein enorm schnelles Auto, konnten es aber nicht in einen Sieg umsetzen. Das schmerzt. Unsere Chancen waren wirklich gut, aber es hat nicht sollen sein.“

Christian Ried (Porsche 911 RSR #77): „Das war ein klasse Rennen und ein super Ende der Saison. Wir haben uns noch auf den dritten Platz in der Meisterschaft verbessert, besser hätte es nicht laufen können. Der Kampf von Jaxon Evans und insbesondere Matt Campell am Ende war der Hammer – ich stand kurz vor dem Herzinfarkt. Matt fühlte sich zwar nicht super happy mit dem Auto im letzten Stint, hat aber super attackiert und konnte die Lücke immer weiter schließen. Dann ist er in der letzten Runde, in der letzten Kurve sogar noch auf den zweiten Platz vorgefahren! Super cool!“

Matteo Cairoli (Porsche 911 RSR #56): „Wir hätten gern Platz drei in der Meisterschaft gesichert, aber leider hat uns das Auto von Dempsey-Proton Racing in der letzten Runde überholt – immerhin war es ein Porsche. Ich muss allerdings zugeben, dass ich sehr enttäuscht bin. Wir greifen im kommenden Jahr wieder an.“

Ergebnisse Rennen

GTE-Pro-Klasse
1. Calado/Pier Guidi (GB/I), AF Corse, Ferrari 488 GTE #51, 233 Runden
2. Estre/Jani/Christensen (F/CH/DK), Porsche GT Team, Porsche 911 RSR #92, 233 Runden
3. Serra/Molina (BR/E), AF Corse, Ferrari 488 GTE #52, 233 Runden

GTE-Am-Klasse
1. Perrodo/Nielsen/Rovera (F/DK/I), AF Corse, Ferrari 488 GTE #83, 230 Runden
2. Ried/Campbell/Evans (D/AUS/NZ), Dempsey-Proton Racing, Porsche 911 RSR #77, 229 Runden
3. Perfetti/Cairoli/Pera (N/I/I), Team Project 1, Porsche 911 RSR #56, 229 Runden
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