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Formel 1
25.11.2011

Der Große Preis von Brasilien und die Reifen

Die erste Formel 1-Saison von Pirelli nach 20 Jahren endet in Interlagos: einer der kürzesten, aber auch der spannendsten Strecken im Kalender. So spät im Jahr endete seit 1963 keine Formel 1-Saison mehr. Noch eine Besonderheit: Dieses Rennwochenende findet exakt acht Monate nach dem die Saisonstart in Australien statt.

Das 71 Runden lange Rennen in Brasilien hat einige ungewöhnliche Eigenschaften. Dazu gehören die Fahrtrichtung gegen den Uhrzeigersinn, eine Start-/Zielgeraden, auf der die Piloten bergauf fahren (was das Risiko erhöht, dass die Anfahrhilfe beim Start anspringt), und die Höhenunterschiede. Durch diese Charakteristiken werden auf dem Kurs auch gerne Straßenrennen im Fahrradsport ausgetragen. Im Folgenden sind einige der Schlüsselstellen des Autodromo Jose Carlos Pace (so der offizielle Name) mit Blick auf die Reifen beschrieben.

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Die Strecke

Die Start-/Zielgerade ist der höchste Abschnitt des Circuits. Danach geht es schnell abwärts zu dem Senna-S: Einer Sequenz von Kurven, bei denen die Stabilität des Autos sehr wichtig ist, und die gute Überholmöglichkeiten bieten. Mit Vollgas und 250 km/h jagen die Fahrer durch die Curva do Sol, bei der die seitlichen Kräfte 4G erreichen. Das stellt in der Kurve hohe Anforderungen an die Reifenstruktur und die Gummimischung.

Auf der Geraden Reto Opposta erreichen die Boliden Höchstgeschwindigkeiten von 310 km/h, und das auf einem unebenen Belag, der zur Destabilisierung der Autos beiträgt. Die Struktur der Reifen absorbiert die Schläge des Asphalts und neutralisiert die Bewegungen des Chassis. Dadurch hat das Auto am Bremspunkt und der folgenden Kurve perfekte Bodenhaftung.

Nach der Geraden kommen einige langsamere Kurven, die im zweiten und dritten Gang gefahren werden. Hier nutzen die Piloten die Kerbs. Es gibt nur wenig Abtrieb. Um so wichtiger ist die Traktion. Das bedeutet, die Reifen müssen den gesamten Grip liefern, der notwendig ist, um das Auto durch diese komplizierte Serie von Kurven zu bringen.

Danach geht es durch immer schneller werdende Linkskurven wieder bergauf zur Start-/ Zielgeraden. Dabei wird eine Menge Energie durch die Reifen geleitet. Die letzte Kurve ist entscheidend, um mit dem richtigen Tempo auf die Start-/Zielgeraden zu kommen. Die Fahrer müssen so früh wie möglich Gas geben. Erneut ist es die Aufgabe der Reifen, das Drehmoment des Motors so schnell wie möglich in effektiven Grip umzuwandeln. Der Kurs nicht mehr so uneben wie früher, da er 2005 einen neuen Belag bekommen hat.

Die Boxenstopp-Strategie wird durch die kurze Standzeit bei einem Reifenwechsel unterstützt: Von der Einfahrt bis zur Ausfahrt der Boxengasse benötigen die Piloten weniger als 20 Sekunden.

Straßenreifen und Rennreifen

Pirelli engagiert sich in der Formel 1, um den Wiedererkennungswert der Marke zu steigern und mehr Straßenreifen zu verkaufen. Aber wie viel haben ein P Zero Formel 1 Reifen und sein Pendant für die Straße wirklich gemeinsam?

Der P Zero Rennreifen ist breiter als ein normaler Pkw-Reifen und hat eine extrem steife Struktur sowie eine hohe Schulter. Den Straßenreifen wiederum kennzeichnen ein tiefes Profil und eine harte Mischung, um ein langes Leben zu garantieren.

Ein P Zero Straßenreifen hält mehrere tausend Kilometer, ein Wettbewerbsreifen schafft etwa hundert – aber das so dramatisch wie möglich. Bei Höchstgeschwindigkeit und voller aerodynamischer Belastung kann die Aufstandsfläche eines P Zero Formel 1 Reifens um das Dreifache wachsen, während die Fläche eines Pkw-Reifens weitgehend gleich bleibt.

Der P Zero Rennreifen wurde für maximale Performance entworfen. Er muss perfekten Grip liefern, auch bei Geschwindigkeiten, die hoch genug sind, um in schnellen Kurven laterale Kräfte von 4G zu erzeugen.

Das ist viermal so viel Grip wie ein Straßenreifen produziert. Denn dank der Arbeitstemperatur von mehr als 100 Grad Celsius maximiert sich die Straßenhaftung des Formel 1 Reifens. Ein P Zero für den normalen Straßenverkehr arbeitet dank seiner härteren Mischung bei bis zu 40 Grad Celsius.

Der überragende Grip des P Zero Formel 1 Reifens wird durch die Bremsleistung noch mehr ins Scheinwerferlicht gerückt. Ein Pkw erzeugt 1G Verzögerung beim Bremsen, aber ein Formel 1 Auto produziert 5G. Dadurch kann es in rund drei Sekunden von 330 km/h auf 80 km/h abbremsen.

Der Unterschied wird bei den Regenreifen noch deutlicher. Auf nasser Straße verdrängen die Regenreifen von Pirelli rund 60 Liter Wasser pro Sekunde. Eine softe Mischung und aerodynamischer Druck liefern sogar bei hohem Tempo eine exzellente Straßenhaftung, eine trockene Reifenaufstandsfläche und totale Kontrolle für den Fahrer.

Ein Straßenreifen verdrängt etwa 13 Liter Wasser pro Sekunde. Dieser Menge garantiert unter normalen Bedingungen perfekte Sicherheit für jeden Autotyp.

Aber die Formel 1 ist weit entfernt von normalen Fahrbedingungen. Der erstaunliche Grip der Reifen, der speziell für Rennen entwickelt wurde, erlaubt den Autos, das Optimum aus ihrer Kraft und ihrer Beschleunigung herauszuholen.

Ein Pkw beschleunigt in etwa zweieinhalb Sekunden von null auf 60 km/h. In der selben Zeit erreicht ein Rennbolide 100 km/h. Beide Autos verdoppeln innerhalb der nächsten fünf Sekunden ihre Geschwindigkeit. Der Unterschied bei Performance, Grip und lateraler Straßenhaftung ist so definiert, dass nur der P Zero Rennreifen effektiv genug ist, um mit den an ihn gestellten Anforderungen fertig zu werden.
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