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Interview
29.09.2023

Fabio Schwarz: Wenn wir langsamer fahren, um Unfälle zu vermeiden, sind wir im falschen Sport!

Fabio Schwarz, der 18-jährige Sohn von Rallye-Legende Armin Schwarz, hatte vor ein paar Wochen bei einer Rallye seinen ersten großen Unfall. Durch eine Bodenwelle kam das Auto von der Straße ab und überschlug sich vier Mal, aber Fabio und sein Beifahrer konnten unverletzt aussteigen. 

Wie man als Rennfahrer mit dem Risiko eines Unfalls umgeht, wie man während dessen reagiert und welche Fortschritte die Sicherheit im Motorsport und insbesondere im Rallye-Sport gemacht haben, erzählt Fabio exklusiv in diesem Interview. 

Fabio, du und dein Beifahrer hatten vor Kurzem einen schweren Unfall, bei dem ihr unverletzt geblieben seid. Kannst du den Unfall beschreiben? 
Fabio Schwarz: „Ja, das ist beim Shakedown (Anm.: Testetappe vor der ersten Wertungsprüfung) bei der Estland-Rallye am 20. Juli passiert. Als wir über eine Bodenwelle fuhren, ist das Heck beim Anbremsen etwas weggegangen, so dass wir quer in die Kurve reingekommen sind. Dadurch hat sich das Auto aufgestellt und wir haben uns viermal überschlagen. Der Aufschrieb war perfekt, aber wir sind die Kurve schneller gefahren als beim ersten Testdurchgang, wodurch die Bodenwelle ganz andere Auswirkungen hatte.“

Hat man in so einem Moment Zeit zu reagieren? Oder anders gefragt: Wie reagiert man, wenn man merkt, man hat einen Unfall?
„Ich hatte bereits beim Anbremsen gemerkt, dass die Lage des Autos nicht ideal war. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass die Auswirkungen so groß sein würden, denn wir waren nicht zu schnell. Das Auto ist einfach über einer Bodenwelle ausgerissen. Das hat normalerweise nicht so große Auswirkungen, deshalb war ich nicht wirklich auf den Überschlag vorbereitet. Als ich dann gemerkt habe: ‚Hier ist nichts mehr zu retten', habe ich die Hände vom Lenkrad genommen, was einem Rennfahrer so beigebracht wird, und habe gewartet, bis wir zum Stehen gekommen sind.“ 

Was denkt man in einem solchen Moment?
„Wirklich nachdenken tut man in einem solchen Moment nicht, man wartet nur, dass es vorbei ist.“

Hast du dir den Unfall auf Video angeschaut? Oder im Gegenteil: Vermeidet man das eher?
„Ich habe mir das Video mit meinem Ingenieur und meinem Vater zusammen angesehen, um zu analysieren, was man eventuell hätte anders machen können, um den Unfall zu vermeiden. Eine Möglichkeit wäre ‚langsamer fahren', aber dann sind wir im falschen Sport. Wir haben in dem Sinne also keinen Fehler gemacht, so dass es schwierig ist, solche Situationen beim nächsten Mal zu vermeiden.“ 

Wie fühlt man sich, wenn man den Unfall anschaut? 
„Ich kann mir das Video ohne Probleme ansehen. Ich war ja live dabei, wodurch man sich nicht wirklich anders fühlt, wenn man das Video anschaut.“

Wie bereitet man sich als Fahrer auf einen Unfall vor? Geht das überhaupt?
„Jeder Fahrer, der in ein Rallye-Auto einsteigt, ist sich des Risikos bewusst, dass Unfälle passieren können. Gerade bei den Geschwindigkeiten, die die Rallye-WM einfordert, wenn man vorne mit dabei sein will. Aber mich direkt auf einen Unfall vorbereiten, das tue ich nicht. Ich glaube, dass ist die falsche Herangehensweise, denn dann geht man mit Angst da ran und kann dann nicht fahren, wie man will. Aber wenn man diesen Sport betreiben will, geht man das Risiko, Unfälle zu haben und eventuell auch verletzt zu werden, ein.“

Wenn man merkt, jetzt habe ich einen Unfall, gibt es da bestimmte Reaktionen oder Abläufe, die man durchgeht, analog zu einem Piloten im Flugzeug zum Beispiel, um den Unfall zu mindern?
„Man schaut schon, wie man die Situation retten kann. Bei meinem Unfall habe ich zum Beispiel sofort maximal gegengelenkt, was aber in dem Moment leider nicht mehr geholfen hat. Man reagiert spontan gemäß bestimmten Abläufen, die man vorher gelernt hat. Da spielt die Erfahrung natürlich auch eine große Rolle.“

Fährt die Angst vor Unfällen mit, wenn du im Auto sitzt? Jetzt vielleicht mehr als vorher?
„Man braucht Respekt, um Situationen gut einschätzen zu können, aber Angst habe ich keine. Dann könnte ich diesen Sport nicht machen.“

Wie geht man nach einem Unfall die nächste Rallye an? Hast du zum Beispiel eine besondere Vorbereitung oder Technik, um den Unfall zu verarbeiten?
„Mir ist es wichtig zu wissen, warum ein Unfall passiert ist, damit ich weiß, was ich beim nächsten Mal anders machen kann. Schwieriger wird es bei den Unfällen, wo man nicht genau weiß, woran es lag oder wenn es ein Materialfehler war. Letzteres ist mir zum Glück noch nicht passiert, und heutzutage gibt es so viele Analysemöglichkeiten, dass man am Ende fast immer weiß, woran es lag. Und es ist immer gut, sich nach einem Unfall so schnell wie möglich wieder hinters Steuer zu setzen, damit Ängste erst gar nicht wachsen können.“

Wie würdest du die Sicherheit im Rallye-Sport beschreiben und deren Entwicklung in den letzten Jahren? 
„Die Sicherheit ist ohne Zweifel auf einem hohen Niveau, und bei den meisten Unfällen kommen Fahrer und Beifahrer unversehrt davon. Die FIA und die Hersteller machen hier alles, was sie können, um die Sicherheit immer weiter zu verbessern. Und wenn man sich die schlimmeren Unfälle in der WRC in den letzten vier, fünf Jahre anschaut, zeigt das, dass die Autos schon sehr sicher sind. Man muss sich aber auch bewusst sein, dass bei jedem Unfall immer auch ein bisschen Glück dabei sein muss, denn alles lässt sich nicht kontrollieren.“

Gibt es besondere Sicherheitseinrichtungen, die es dir ermöglicht haben, den Unfall unbeschadet zu überstehen? 
„Der Rollkäfig ist wohl die wichtigste Sicherheitseinrichtung. Wenn man sieht, wie unbeschadet die Käfige nach den meisten Unfällen aussehen, dann weiß man, dass sie viel aushalten. Wir hatten zum Bespiel nach unserem Unfall gar keinen Kratzer am Rollkäfig. Das ist gut zu wissen und gibt Sicherheit. Auch die Rennsitze geben durch die Ohrmuschel und den 6-Punkt-Gurt zusätzlich Sicherheit, da man sehr fest im Sitz ist. Durch das HANS-System wird vermieden, dass man bei Frontalunfällen Verletzungen am Hals oder Genick erleidet. Und unsere Overalls inklusive Unterwäsche sind feuerfest, was wichtig ist, falls das Auto Feuer fängt. Aber an heißen Tagen kann das manchmal ganz schön unangenehm sein, weil man so schwitzt! Also alles in allem sind die Sicherheitsstandards sehr hoch, und sie werden ständig weiterverbessert.
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