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Automobilsport
21.02.2022

Team Space Drive belegt beim ersten elektronischen 24h Rennen den 4. und 6. Platz

Bei der ersten ADAC 24h-ecompetition auf dem 4,574 Kilometer Grand-Prix-Kurs auf dem Hockenheimring ging es weniger um Schnelligkeit und Performance als um ein effizientes Energiemanagement bzw. Fahrweise und schlussendlich um Reichweite.

Das Team Space Drive der Schaeffler Paravan GmbH & Co KG war mit zwei VW ID3 mit jeweils 58 KWh Batterieleistung am Start: Das Fahrzeug mit der #18 – Team Space Drive 1 – war dabei mit der Steer-by-Wire Technologie Space Drive ausgerüstet, die ganz ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkeinheit und Lenkgetriebe auskommt, analog zu den Technologieträgern, die Schaeffler Paravan zur Entwicklung im Rennsport einsetzt. Das Team Space Drive 2 mit der #19 nahm mit einem konventionellen Lenksystem als Referenzfahrzeug am Wettbewerb teil. Letztendlich verpasste die #19 ganz knapp das Podium mit insgesamt 261 Runden, die #18 kam nach 24 Stunden und 256 Runden auf Platz 6 ins Ziel.

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Pilotiert wurde der VW ID3 mit der #18 von den Lokalmatadoren Patrick Assenheimer, Jochen Nerpel, Andreas Wirth und Christian Gruber sowie von Michael Pfeiffer, dem Chefredakteur der Auto Motor und Sport, der schon den einen oder anderen Rekordversuch erfolgreich absolviert hat. Der zweite VW ID3 mit der #19 wurde von den Schaeffler Paravan und PARAVAN-Mitarbeitern Wolff Mattuschka, der auch für das Energiemanagement im Team zuständig war, Clara Puchinger, Frank Weidner, Drifter Alexander Gräff und Timo Haug pilotiert. Das fahrerische Können in Kombination mit einer intelligent geplanten Verbrauchs- und Ladestrategie bestimmte den Erfolg des Rennens, eine Herausforderung für so manchen Profi-Rennfahrer im Team Space Drive 1.

„Wir fahren mit Space Drive ohne mechanische Lenksäule, über Kabel mit einem Force Feedback Lenkrad und möchten hier unter Beweis stellen, dass wir 24h durchfahren können“, sagt Roland Arnold, CEO der Schaeffler Paravan, der das System aus der Behindertenmobilität heraus entwickelt hat. Solche Einsätze sind unerlässlich für die weitere Entwicklung des Systems hin zur nächsten Generation. „Wir haben sehr viel gelernt. Wir waren unterschiedlichen Wetterbedingungen ausgesetzt und haben aus den erhobenen Daten signifikante Änderungen herauslesen können, welche Informationen zum Fahrer zurückspiegeln“, sagt Alexander Uphoff, Leiter Systementwicklung und für die Testträger auf der Straße zuständig. „Das sind wichtige Impulse für die zukünftige Entwicklung, die das System noch robuster und zuverlässiger machen.“

Die erste Hälfte des Rennens war eine besondere Herausforderung für die 18 Starter der 24h-ecompetition, die in vier verschiedenen Klassen – mit Blick auf die Batteriekapazität – ausgetragen wurde. Besonders die Wetterkapriolen am Abend und in der Nacht mit Sturmböen und dem später einsetzenden Regen. Von Startplatz elf und zwölf ins Rennen gegangen, hatten die Fahrzeuge von Team Space Drive 1 und 2 einen guten Einstand ins Rennen und konnten sich mit den Startfahrern Patrick Assenheimer und Timo Haug in der ersten Stunde an die Spitze des Feldes setzen. Nach gut einer Stunde kam Team Space Drive 2 zur ersten Ladepause zurück an die Box und Team Space Drive 1 übernahm die Führung bis zum ersten Boxenstopp.

„Ready to Load“ hieß es dann in der Boxengasse: Auto abstellen, Autotür auf, nur dann ging die Ladebuchse am Auto auf, Kabel einstecken… Nach anderthalb Stunden, gegen 19 Uhr stieg Michael Pfeiffer ins Space Drive Cockpit und fuhr in die stürmische Nacht. Gefahren wird nach einem ausgetüftelten Energiemanagement: Bei X Prozent geht es los, nach knapp zwei Stunden ist Ladezustand Y erreicht. Die Rechnung ging auf. Laut Reglement hätten die Fahrzeuge zum Beginn und Ende des Rennens je vier Stunden fahren können, die restlichen Stints waren auf zwei Stunden limitiert, danach folgte immer eine Pflichtladepause von ca 90 Minuten.

Fehlerfrei ging es durch die Nacht. Die #18 führte nach dem dritten Stint von Jochen Nerpel und 104 Runden die Klasse „C“ an. Nach den Morgenstunden und den Stints von Frank Weidner, Wolff Mattuschka und Timo Haug führte dann die #19 das Feld nach 155 Runden kurzzeitig an, bevor es zur nächsten Ladepause ging. „Es ist schwierig zu diesem Zeitpunkt einzuschätzen, ob es am Ende langt“, meint Wolff Mattuschka, zuständig für das Energiemanagement und Teamleader von Team Space Drive 2. „Bisher liegen wir im Plan.“ Auch im sechsten Stint konnte die #19 wieder an die Spitze des Feldes vorfahren. Am Vormittag waren die VW ID3 des Space Drive Teams auf Podiumskurs. Doch die Kontrahenten in der Klasse nutzten ihre Chance und fuhren am Ende noch einmal Vier-Stunden-Stints und hatten mit dieser Strategie letztendlich die Nase vorn.

Am Ende siegte das Team Tesla Roadstar Classic #8 nach 281 Runden, mit fast 20 Runden Vorsprung souverän vor dem Team WHB Chargeing #17 mit 262 Runden und dem Team Energy Control #24 mit 261 Runden. Das Team Space Drive 2 kam ganz knapp hinter Platz 2 und 3 mit ebenfalls 261 Runden und 1.194 Kilometern ins Ziel, trotz der erheblichen Unterschiede der Batteriekapazität, die bei Gruppe „C“ von 52 bis 75 KWh reichte. Das Team Space Drive 1 fuhr mit 256 Runden und 1.171 Kilometern auf Platz 6. „Die Unterschiede im Stromverbrauch sind minimal und auch fahrerabhängig“, berichtet Mattuschka nach dem Rennen.

Vor allem für die Profis Patrick Assenheimer, Jochen Nerpel, Christan Gruber und Andreas Wirth, war die 24h-ecompetition eine echte Umstellung. Hier waren völlig andere fahrerische Qualitäten gefragt als auf der Rennstrecke. „Das war eine sehr interessante Erfahrung“ waren sich alle Fahrer der #18 einig. „Die Lenkung ist sehr direkt, gutes Feedback vom Lenkrad, genau wie ich es erwartet habe“, berichtet Andreas Wirth der zum ersten Mal mit Space Drive unterwegs war. „Die Unterschiede zum GT3, mit Blick auf die Lenkung sind eigentlich sehr gering. Nur die Aufgabe war eine andere. Wir bemühen uns im Gegensatz zum Rennen bereits vor dem Scheitelpunkt der Kurve vom Gas zu gehen, um die maximale Rekuperation zu erzeugen“, berichtet Patrick Assenheimer, der mit dem Space Drive System bereits bei der GTC Race Pokale gewonnen hat.

„Man kann nicht die ganze Zeit Vollgas fahren, sondern muss schauen, dass man sich die Energie über die Distanz einteilt, das ist schon was anderes“, berichtet auch Christian Gruber. „Man muss beim Fahren extrem auf die Ladekapazität achten. Die Strategie spielt eine absolut übergeordnete Rolle. Dann wurde mir noch durchgefunkt, dass ich unter 22 KWh bleiben muss. Das war fahrerisch noch mal eine ganz andere Herausforderung“, sagt Jochen Nerpel, früher ebenfalls im Rennwagen aktiv und heute Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH.

„Es war Nacht in meinem Stint, es war kalt, es war windig, keine einfachen Bedingungen. Unser Auto hat gut mitgehalten. Die Space Drive Lenkung fühlt sich nicht viel anders an“, sagt Auto Motor und Sport Chefredakteur Michael Pfeiffer, der das erste Mal an so einer Art von Wettkampf teilgenommen hat. „Wenn man an autonomes Fahren denkt, dass die Räder irgendwann nur von einer Akturatorik gelenkt werden, dann braucht man natürlich ein Steer-by-Wire System und da ist Schaeffler Paravan schon sehr, sehr weit.“

„Wir entwickeln und erproben im Rennsport. Unser Anspruch ist es, diese Daten, die wir in den einzelnen Rennen generieren für unsere Technologieträger für die Straße zu übertragen“ sagt Uphoff. Der Einsatz der Straßenfahrzeuge ist ein wichtiger Baustein für die Entwicklungsleitlinie für Space Drive – From Track to Road. Und die Veranstaltung ist ein ideales Testfeld dafür. „Die Technologie ist die Grundlage: Ohne Steer-by Wire/ Brake-by-Wire, also Space Drive wird es keine autonomen Fahrzeuge geben. Auch Innenraumkonzepte können völlig neugestaltet werden - Rechts- Links Lenker sind kein Thema mehr. Eine mechanische Lenksäule ist nicht mehr nötig“, ergänzt Arnold. „Das ist die Basis für Kamera-, Lidar-, Sensorhersteller, die auf einen sicheren Informationstransfer ein redundantes Lenksystem angewiesen sind.“
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