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24h Nürburgring
23.09.2020

Schaeffler Paravan – Steer-by-Wire bereit für 24h Nürburgring-Härtetest

Wenn am Samstag den 26. September 2020 um 15:30 Uhr die Startampel des Nürburgrings auf Grün schaltet beginnt für das Space Drive System an Bord des Porsche Cayman 718 GT4 #58 der bisher längste Härtetest: Das ADAC TOTAL 24h Rennen Nürburgring ist die nächste Phase bei der Systementwicklung nach den Einsätzen in Sprintrennen.

Die Nürburgring Nordschleife gilt für Material und Piloten als die schwierigste Rennstrecke der Welt. In der „Grünen Hölle“ muss sich das Space Drive System – zwei Mal rund um die Uhr – bewähren bis am Sonntagnachmittag die Zielflagge fällt. Als Fahrerquartett wird geballte Nordschleifenkompetenz ins Lenkrad greifen: Marvin Dienst (Lampertheim), Niklas Steinhaus (Schwelm), Kai Riemer (Filderstadt) sowie der VLN Langstreckenmeister 2011 Tim Scheerbarth (Dormagen) stellen sich der Herausforderung.

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Für Schaeffler Paravan ist dieser Ausdauer-Testeinsatz der nächste logische Schritt nachdem Steer-by-Wire in diesem Jahr in fünf Rennwagen bei verschiedenen Sprintrennen und Testfahrten mehr als 11.000 Kilometer erfolgreich zum Einsatz kam. So ist es bisher im Audi R8 LMS GT3, Mercedes-AMG GT3, Porsche 911 GT3 R, McLaren 570S GT4 sowie dem Porsche Cayman 718 GT4 ohne technische Probleme installiert und unter Realbedingungen auf vielen Rennstrecken beansprucht worden. Im GTC-Race konnten die Teams bereits zahlreiche Erfolge verbuchen.

Die Space Drive Technologie wurde vom Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) 2019 für den Audi R8 LMS GT3 als weltweit erstes Fahrzeug dieser Art zugelassen und ist mittlerweile im Reglement der Serie fest verankert. Durch den Einsatz eines Echtzeitbetriebssystems konnte die Reaktionsfähigkeit sowie die Dynamik des Space Drive Systems deutlich erhöht werden. Auch die Spurhaltung konnte durch neue Softwarefeature weiter optimiert werden. Neben dem Lenksystem wird auch das eingesetzte Force Feedback Lenkrad weiterentwickelt. Zudem wurde die Diagnosefähigkeit des Systems durch weitere Sensorik optimiert. Die aus dem Einsatz gewonnen Erkenntnisse fließen direkt in die Weiterentwicklung des Systems.

„Der Einsatz des Space Drive Systems unter den Extrembedingungen des Rennsports hat uns bereits viele wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Systems gebracht. Durch die Optimierungen konnten wir bereits wichtige Parameter herausfahren“, sagt Roland Arnold CEO der Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co.KG und Gründer der Paravan GmbH, die die Technologie aus der Behindertenmobilität heraus entwickelt hat. „Die Robustheit und die Langlebigkeit des Systems über so eine lange Distanz zu testen, ist nach den Erfolgen der letzten Rennen der nächste logische Schritt. Wir erhoffen uns dadurch weitere wichtige Erkenntnisse für die Großserie. Damit schaffen wir eine wichtige Grundlage für neue Mobilitätskonzepte für die Zukunft. Space Drive ist bereits heute straßenzugelassen und eine wichtige Schlüsseltechnologie für das autonome Fahren in Level 4 und 5.“


Das Einsatzauto

Der Porsche Cayman 718 GT4 ist bei W&S Motorsport aus Ofterdingen seit diesem Jahr sehr erfolgreich in der Nürburgring Langstrecken-Serie eingesetzt worden. Der Rennwagen hat fünf Langstreckenrennen zu vier oder sechs Stunden ohne technische Probleme absolviert und konnte Podiumsplatzierungen erzielen. Anfang September wurde das Fahrzeug umgebaut und ist nun mit der Space Drive Lenkung – ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkeinheit und Lenkgetriebe – von Schaeffler Paravan im Einsatz. Den ersten Testlauf hat der Cayman bereits vor zwei Wochen beim GTC Race erfolgreich absolviert.

„Wir als W&S Motorsport möchten einen optimalen Einsatz für das System garantieren, eine top Teamleistung abliefern und somit unseren Teil zur Weiterentwicklung des Systems beitragen“, sagt W&S Motorsport Teamchef und Geschäftsführer Daniel Schellhaas. „Der Einsatz ist für uns etwas ganz besonders. Wir können hier wesentlich dazu beitragen, eine wichtige Zukunftstechnologie weiterzuentwickeln und damit beweisen, dass die Space Drive Technologie von Schaeffler Paravan bereits so weit ist, 24 Stunden unter Extrembedingungen problemlos zu bestehen.“

Innerhalb einer Woche wurde das System implementiert. Eine Leistung die nur im Team stemmbar war. Dabei hat sich ein toller Teamspirit zwischen den W&S-Ingenieuren und -Mechanikern sowie dem Schaeffler Paravan und PARAVAN Team eingestellt. Nach der Komplettintegration des Space Drive Systems wurden auf dem betriebseigenen Testgelände sowie auf dem Flugfeld Mengen erste Praxistests vollzogen.

„Wir wollen zeigen, dass das System 24 Stunden, bzw. über 3.000 Kilometer am Stück fahren kann und das auf der härtesten Strecke der Welt. Die Nordschleife ist bekannt für ihre Tücken. Das zu beweisen ist eine große Herausforderung und wenn wir es schaffen auch eine Riesenleistung“, sagt Axel Randolph, Head of Racing bei der Schaeffler Paravan Technologie.


Stimmen der Piloten nach dem ersten Renneinsatz beim GTC Race auf dem Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings und vor dem ADAC TOTAL 24h Rennen

„Das erste Gefühl war nicht grundlegend anders zur konventionellen Lenkung. Ich habe mich direkt wohlgefühlt im freien Training. Es motiviert mich immer, wenn ich einen Beitrag für zukünftige Entwicklungen leisten kann“, sagt Marvin Dienst.

„Anfangs fühlt es sich ein bisschen organisch an, wie beim Simracing, doch im Rennen zeigt sich schnell: da gibt es keinen großen Unterschied!“, berichtet Nordschleifen-Spezialist Kai Riemer nach seiner ersten Fahrt. Riemer ist zwar schon zum 28. Mal beim 24h Rennen dabei – und trotzdem ist es dieses Mal auch für ihn eine Premiere. „Beim 24h Rennen werden wir sicher nicht so aggressiv fahren, wie man das zum Beispiel in Sprintrennen macht. Es wird sich von Anfang an leichter anfühlen. Unser Ziel ist es, das Auto über die Distanz zu bringen, ich bin sehr optimistisch, dass uns das gelingt.“

„Der Unterschied ist kaum noch zu erkennen“, meint auch Niklas Steinhaus. „Wenn man dann seinen Rennflow ist und auf Speed fährt, dann vergisst man schnell, dass man gar keine mechanische Verbindung mehr hat. Das gibt ein sicheres Gefühl. Wenn die Daten in zehn oder sogar zwanzig Jahren dann auch Verwendung finden und wenn man dazu einen Beitrag geleistet hat, macht mich das stolz. Mit ihren Höhen, Kuppen und Senken ist die Nordschleife eine besondere Herausforderung.“ Als Ingenieur für Fahrzeugtechnik kennt er diese Besonderheiten.

„Für mich ist es das erste Rennen mit W&S Motorsport auf der Nordschleife. Die Jungs arbeiten sehr professionell und sind in der NLS äußerst erfolgreich unterwegs“, freut sich Tim Scheerbarth. Für Ihn ist es das elfte 24h Rennen. „Wir wollen natürlich möglichst viele Daten zu Space Drive generieren und problemlos durchfahren. Ein gutes Ergebnis on-top wäre natürlich super.“


Gut vorbereitet zum Jahreshöhepunkt in der Eifel

Die letzten Vorbereitungen zum Motorsport-Marathon laufen bis zur letzten Minute. Noch am Montag der Rennwoche wurde mit Michelin unter Hochtouren auf dem Hockenheimring getestet. „Jeder Tag, den wir auf der Rennstrecke verbringen gibt uns neue Erkenntnisse. Wir lernen immer mehr über das System, vor allem mit Blick auf die Entwicklung neuer Komponenten“, fasst Axel Randolph, Head of Racing mit Blick auf die Technologieentwicklung.


Ausblick auf das Rennen

24 Stunden sind auch für die Renningenieure eine besondere Herausforderung. Wichtig ist die technische Vorbereitung, so dass die ganzen Daten erfasst und aufbereitet werden können. Im Gegensatz zu anderen Serien können diese Daten bereits während des Rennens live vom Auto zur Box übertragen werden.

„Das ist der erste Einsatz beim 24h Rennen. Für uns ist das primäre Ziel die Distanz durchzufahren.“, sagt Klaus Graf, der selbst schon mehrfach Teilnehmer beim 24h Rennen war und zuständig für die Teamkoordination und Strategie im Schaeffler Paravan Racing Team ist. „Darauf ist unsere Strategie ausgelegt, das primäre Ziel ist es die Technik zu präsentieren und die Langlebigkeit von Space Drive im Wettbewerb zu demonstrieren. Für die Fahrer erwarten wir mit Blick physische Belastung, beim Lenken bereits Vorteile.“

Für Mittwoch den 23. September stehen die letzten Vorbereitungen vor Ort auf dem Team-Plan, bevor es am Donnerstag dann erstmals auf der Nordschleife ernst wird. Hier muss sich im Qualifying 1 sowie im Nacht-Qualifying das Space Drive System dem anspruchsvollen Härtetest stellen. Das große Rennen selbst wird durch die langen Nachtstunden kräftezehrend werden, auch hat der Eifel-Wetterfrosch bereits einiges an Regen vorhergesagt.
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