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FIA WTCR
04.04.2019

Heimspiel für VW-Fahrer Mehdi Bennani beim WTCR-Auftakt

Auftakt in Marokko: Vom 5. bis 7. April starten das Team Sébastien Loeb Racing und Volkswagen Motorsport im WTCR – FIA Tourenwagen-Weltcup in die Saison 2019. Auf dem Circuit Moulay el Hassan in Marrakesch stellen sich Mehdi Bennani (MA), Rob Huff (GB), Johan Kristoffersson (SE) und Benjamin Leuchter (DE) in ihren vier Volkswagen Golf GTI TCR einem einzigartigen Starterfeld – viele Experten halten es für das stärkste Aufgebot aller Zeiten. Sieben der 26 permanenten Fahrer haben bereits FIA-Titel gewonnen: darunter Huff (Tourenwagen-Weltmeister 2012) und Kristoffersson (Rallycross-Weltmeister 2017 und 2018).

„Die WTCR ist in diesem Jahr ohne Frage die stärkste Tourenwagen-Rennserie der Welt“, sagt Volkswagen Motorsport Direktor Sven Smeets. „Hinter uns liegt eine intensive Saisonvorbereitung mit dem Golf GTI TCR, aber die echten Kräfteverhältnisse werden sich erst in Marokko zeigen. Unser Ziel sind Siege und Podiumsplätze – und natürlich möchten wir am Ende um den Fahrer- und den Team-Titel mitkämpfen. Aber bis dahin sind zehn Rennwochenenden mit insgesamt 30 harten Rennen zu meistern.“


Für Bennani „der größte Event des Jahres“

Mit dem Lauf zur FIA Tourenwagen-Weltmeisterschaft 2009 (WTCC) richtete Marokko seine erste große Motorsport-Veranstaltung aus. Seitdem wächst das Interesse stetig. „In Marokko ist die WTCR die wichtigste Motorsport-Serie, größer als die Formel 1“, sagt Mehdi Bennani. „Es ist der größte Event des Jahres in Marokko. Besonders freut mich, dass viele Kinder an die Strecke kommen. Man sieht an ihren fröhlichen Gesichtern, wie glücklich sie sind. Wenn ich an ihnen vorbeigehe, haben manche Fans Freudentränen in den Augen“, berichtet Bennani.

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Bennani selbst wurde die Begeisterung für den Motorsport in die Wiege gelegt. Sein Vater Abdelilah fuhr zunächst Motocross und wurde vier Mal marokkanischer Meister – später wechselte er in den Automobilrennsport. „Er war jedes Wochenende unterwegs, um Rennen zu fahren oder zu testen“, erinnert sich Bennani. „Das gefiel meiner Mutter gar nicht, daher stellte sie ihn vor die Wahl: Familie oder Motorsport.“ Der Vater ging den kreativen Weg und nahm seine Frau Samira einfach mit und bot ihr an, selbst zu fahren. Sie war sofort fasziniert und fuhr noch am selben Wochenende ihr erstes Rennen. Wenig später startete sie ihre eigene Motorsport-Karriere – als erste Frau in Marokko. Unter anderem nahm sie am Mégane Supercopa und an der marokkanischen Rundstrecken-Meisterschaft teil.

Bis heute ist Bennani begeistert, dass seine Eltern den gemeinsamen Schritt in den Motorsport gewagt haben, denn in Marokko war dies zu jener Zeit für eine Frau sehr außergewöhnlich. „Daraus habe ich viel für mein Leben gelernt“, erklärt der einzige afrikanische Pilot in der WTCR. „Man muss immer Ziele haben und dafür kämpfen, egal wie aussichtslos sie auch scheinen.“ Seine Eltern waren in gewisser Weise auch Vorbilder für seinen Fahrstil. Während seine Mutter eher clever und beständig fuhr, ging sein Vater immer volles Risiko, schied dadurch in Rennen aber auch häufiger aus. Geht es nach Mehdi, ist er der perfekte Mix aus beiden Elternteilen.

Seine Karriere startete er im Kartsport und gewann 2001 unter anderem die marokkanische Meisterschaft. Zur folgenden Saison wechselte er in den Formelsport. Seit 2009 fährt er Tourenwagen. Der Wechsel erfolgte jedoch nicht ganz freiwillig. „Mein großer Traum war immer eine Karriere in der Formel 1“, blickt Bennani zurück. „Als 2009 die Premiere der Tourenwagen-WM in Marrakesch anstand, kamen Anfragen, ob ich als Gastfahrer starten wolle. Ich sagte ab, weil ich Formel-Fahrer war.“ Doch die Organisatoren ließen nicht locker, bis Bennani schlussendlich zusagte. Nach nur einem Test im Seat León gewann er bei seinem Debüt völlig überraschend die Privatfahrer-Wertung. „An diesem Wochenende habe ich den Tourenwagen-Sport lieben gelernt. Er ist spektakulär, es gibt viele verschiedene Marken und gutes, enges Racing“, erinnert sich Bennani.


Jubiläum für Bennani im Tourenwagen-Sport

Bennani kam, um zu bleiben. In diesem Jahr feiert er sein zehnjähriges Jubiläum. 2014 gewann er den WM-Lauf in Schanghai als erster Fahrer aus dem arabischen Raum, der je ein Rennen unter dem Dach des Automobilweltverbandes FIA gewann. Sechs weitere Siege sollten bis dato folgen – sehr zur Freude seiner Fans und Unterstützer, darunter der marokkanische König. Das Staatsoberhaupt des Landes wurde früh auf das Talent aufmerksam und ermöglichte nach den ersten sportlichen Erfolgen im Formelsport eine Förderung beim französischen Motorsportverband. „Ich bin ihm sowie allen meinen Partnern sehr dankbar. Es ehrt mich sehr, dass ich ein Botschafter des Landes sein darf.“

Nun also wieder Marrakesch, dort, wo 2009 alles begann. „Das ist ein magisches Wochenende“, sagt Bennani. „Eine Menge Druck lastet auf meinen Schultern. Für die Marokkaner zählt nur das Ergebnis, ein Sieg oder zumindest ein Podestergebnis ist es, wonach sich die Fans sehnen. Das motiviert mich zusätzlich und ich möchte ihnen unbedingt ein unvergessliches Wochenende bescheren.“ Seit 2015 wird in Marrakesch auf einem semipermanenten Kurs mit einer Streckenlänge von 2,971 Kilometern gefahren. „Als Fahrer mochte ich das längere Layout des Straßenkurses lieber. Dort gab es mehr Vollgas-Passagen und große Bremszonen, aber für den Event ist die kürzere Strecke besser, da die Zuschauer das Renngeschehen die ganze Zeit verfolgen können. Alles ist enger, kompakter.“

Worauf es am Wochenende ankommen wird, weiß Bennani genau: „Das Qualifying ist sehr wichtig und dann muss man unfallfrei durch die erste Kurve kommen. Wenn alle Autos vom Start weg auf diese Kurve zurasen, will jeder seine Position verteidigen. Vor allen Dingen, weil es sehr schwer ist, auf der Strecke zu überholen; am ehesten geht es vor den Kurven eins und vier.“ Bennani hat in der Vergangenheit bewiesen, dass Überholen möglich ist. Im vergangenen Jahr feierte er einen zweiten Platz – sein bislang bestes Ergebnis in Marrakesch. Geht es nach seinen Landsleuten, darf es 2019 in mindestens einem der drei Rennen einen Platz weiter nach vorne gehen. Bennani selbst hätte nichts dagegen.
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