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Formel 1
05.10.2012

Technikfeature: Fußarbeit wird zur Kopfsache

Immer öfter sprechen Fahrer und Ingenieure von den „Pedal Maps“, den Kennfeldern des Gaspedals. Inwiefern lässt sich das Gaspedal überhaupt abstimmen und wie wirken sich unterschiedliche Pedal-Kennlinien auf Performance, Fahrbarkeit und Reifenverschleiß aus? David Lamb, als Motoren-Ingenieur von Renault Sport F1 für das Williams F1 Team zuständig, erklärt die Materie.

„Grundsätzlich gibt es zwei verschiedenen Varianten von Pedal Maps. Zum einen die konventionelle eindimensionale Kennlinie, die lediglich festlegt, bei welcher Pedalstellung die Drosselklappen wie weit geöffnet werden. Das war in eingeschränktem Maß sogar schon möglich, als es noch mechanische Gaszüge gab: Der Gaszug war über einen Exzenter mit der Drosselklappe verbunden, sodass die Klappe am Anfang oder gegen Ende des Pedalwegs schneller oder träger reagierte.

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Heute lässt sich das durch das Drive-by-wire, also die elektronische Übertragung von Gaspedalbewegungen an die Motorsteuerung, erheblich exakter einstellen. Sportliche Serienautos wie der Mégane Renault Sport bieten beispielweise die Möglichkeit, eine dynamischere Kennlinie zu wählen. Damit erhält der Fahrer eine andere Rückmeldung vom Motor. Er spricht spontaner an, fühlt sich eher wie ein Renn-Aggregat an.

Im Motorsport wurde diese Technologie vor etwa zehn Jahren verwendet. Heute sind wir einen großen Schritt weiter. Wenn wir heute von Pedal Maps sprechen, meinen wir damit ein zweidimensionales Kennfeld, das die Drehmomentkurve mit berücksichtigt – wir sprechen vom Torque Pedal Map. Dieses Mapping basiert auf dem Verhältnis von Drehzahl und Gaspedalstellung. Das heißt: Bei einer bestimmten Gaspedalposition und einer ihr entsprechenden Drehzahl ruft der Fahrer ein bestimmtes Drehmoment vom Motor ab. Diese Anforderung wird in die Motorsteuerung des Zentralrechners – des Electronic Control Unit ECU – eingespeist, damit das Triebwerk das gewünschte Drehmoment bereitstellt.“

Weil gegenüber früheren Pedal Maps ein Parameter hinzugekommen ist, liefern die verschiedenen Abstimmungen nicht bloß die Kraftentfaltung, die der Fahrer wünscht. Heute ist es auch möglich, ihn in weiteren Bereichen zu unterstützen.

„Mit den Torque Pedal Maps kannst du unterschiedliche Philosophien umsetzen“, fährt David Lamb fort. „Bei einem konstanten Mapping erhältst du unabhängig von der Drehzahl je nach Gaspedalstellung ein bestimmtes Drehmoment. Allerdings würde so eine Einstellung nicht helfen, beispielsweise ein Durchdrehen der Räder zu vermeiden. Bei Mappings, in denen wir eine Wheelspin-Unterstützung programmieren, sprechen wir von konstanten Power Pedal Maps.

Das kann zum Beispiel so aussehen: Sagen wir, bei 50 Prozent Pedalweg und 15.000 Touren erhältst du rund 200 Newtonmeter Drehmoment. Wenn jetzt deine Räder etwas durchdrehen und die Drehzahl auf 16.000 Umdrehungen hochschnellt, wird das Drehmoment an den Rädern reduziert – denn wir sprechen ja von einem Mapping mit konstanter Leistung. Und Leistung ist ein Produkt aus Drehmoment und Drehzahl. Dabei handelt es sich nicht um eine Traktionskontrolle und wir können auch keine Zielgröße für den kontrollierten Schlupf der Antriebsräder einstellen. Stattdessen bauen wir eine offene Kontrollschleife ein, die den Wheelspin begrenzt. Das kann gerade bei abgefahrenen Reifen eine große Hilfe sein.“

Das Technische Reglement der FIA hat für die Rücknahme des Drehmoments in Abhängigkeit von der Drehzahl eine Höchstgrenze vorgegeben. Die Motoreningenieure stehen also wie so oft vor der kniffligen Aufgabe, „ihre“ Fahrer so gut wie möglich zu unterstützen und gleichzeitig innerhalb der erlaubten Grenzen zu bleiben.

David Lamb beschreibt, wie sich verschiedene Charakteristika in einem Mapping vereinen lassen: „Du kannst zum Beispiel einen Bereich des Gaspedalwegs auf konstantes Drehmoment abstimmen und den nächsten Teil des Wegs auf konstante Leistungsrücknahme. Dann wäre diese Abstim-mung ein Mix, ein Torque Pedal Map je nach den Anforderungen des Fahrers und des Autos.“

Interessanterweise ist das Pedal Mapping auch dann von großer Bedeutung, wenn der Pilot gar nicht auf dem Gas steht. „Nimmt der Fahrer den Fuß vom Gas, sprechen wir von der Null-Prozent-Linie“, erklärt David Lamb. „An dieser Linie definieren wir die Leistungsabgabe im Schiebebetrieb. Der Motor dreht sich schließlich auch beim Bremsen weiter und produziert weiter Drehmoment, wenn auch leicht negativ. Diese Leistungsabgabe exakt einzustellen, ist äußerst wichtig, denn damit verhindern wir im Idealfall, dass die Hinterräder beim Bremsen blockieren. Es handelt sich auch hierbei um eine offene Regelschleife, ein Pseudo-Antiblockiersystem. Je mehr der Grip der abgefahrenen Reifen nachlässt, umso mehr wird ein Fahrer den Leerlauf-Schub erhöhen.

Der Nachteil dieser Lösung ist, dass Kühlwasser und Öl weiter aufgeheizt werden und die Betriebstemperaturen steigen, statt beim Bremsen zu fallen. Außerdem erhöht sie den Benzinverbrauch. Wenn du das gesamte Rennen mit dem maximalen Push fahren würdest, summiert sich der Kraftstoffbedarf allein dafür auf rund zwei Kilo, die du am Start mitschleppen müsstest.“

Als Basis der Pedal Maps für Suzuka am kommenden Wochenende verwenden die Ingenieure von Renault Sport F1 die Abstimmungen von Singapur. „Wir starten mit diesen Mappings, weil der Reifenverschleiß in Singapur ziemlich hoch lag und wir den Anti-Wheelspin-Gradienten erhöht haben. Wenn wir mit dieser Abstimmung beginnen, fühlt sich der Motor für den Piloten erst einmal genauso an wie vor zwei Wochen“, begründet David Lamb diese Ausgangslage. „Dann werden wir die Mappings im Lauf der Trainingssitzungen anpassen und sie Schritt für Schritt weiterentwickeln – je nachdem, je wie die Strecke an Grip zulegt und welches Feedback uns die Fahrer geben.“
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