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Formel 1
11.11.2011

Renault Sport F1 greift auch in der Wüste nach dem Sieg

Am kommenden Wochenende findet das vorletzte Rennen der diesjährigen Formel 1-Saison statt, der Grand Prix von Abu Dhabi. Der Yas Marina Circuit befindet sich auf einer Insel im Persischen Golf, vor den Toren der gleichnamigen Hauptstadt des Emirats Abu Dhabi. Diese hochmoderne Rennstrecke ist ein absolutes Highlight im Rennkalender der Formel 1.

Die vom deutschen Architekten Hermann Tilke entworfene Strecke führt auf einer Länge von 5,554 Kilometern am riesigen neuen Yachthafen und an ultramodernen Hotels vorbei. Ganz in der Nähe des Yas Marina Circuit laden zudem zahlreiche Freizeitattraktionen zum Verweilen ein. Eine lange Gerade verläuft parallel zum Hafen. Daran schließen sich mehrere Rechtskurven an, bevor die Strecke durch den spektakulären Tunnel quasi unter der Rezeption des Yas Marina Hotels hindurchführt. Diese langsamen und mittelschnellen Kurven stellen keine große Herausforderung für den Renault RS27 Motor dar. Allerdings können die Nähe zum Meer und die Wüstenluft die Ingenieure von Renault Sport F1 vor ungewöhnliche Aufgaben stellen.

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Zahlen und Fakten zum Großen Preis von Abu Dhabi

Der Yas Marina Circuit in Abu Dhabi ist eine typisch-moderne Rennstrecke mit sehr wenigen schnellen Kurven. Im schnellsten Streckenabschnitt zwischen den Kurven 2 und 5 erreichen die Formel 1-Boliden Geschwindigkeiten zwischen 240 und 290 km/h. Auto und Fahrer werden in dieser flüssigen Passage aufgrund der raschen Richtungswechsel hohen Querbeschleunigungen von bis zu +/- 5g ausgesetzt

Während der Freitagstrainings dürfen zwei verschiedene Motor-Mappings zum Einsatz kommen. So können die Ingenieure auf die sehr großen Wärmeunterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Freien Training reagieren. Denn während das erste Training bei vermutlich sehr hohen Temperaturen stattfindet, startet das zweite Freie Training erst nach Sonnenuntergang. Hinzu kommt, dass sich das Gripniveau der Strecke ebenso verändert wie die Reifentemperatur und der Luftdruck. Die Abstimmung des Motors muss entsprechend an diese veränderlichen Parameter angepasst werden.

Wüstensand und Reifenabrieb können durch die Lufteinlässe der Formel 1-Autos in den Motor angesaugt werden und dort zu Beschädigungen führen oder die Frischluftzufuhr blockieren. Dann wäre die optimale Kühlung des Triebwerks nicht mehr gewährleistet. Aus diesem Grund kommen spezielle Filter zum Einsatz, die das Risiko minimieren, dass zu viel Sand in den Motor gelangt.

Die lange Gerade zwischen den Kurven sieben und acht erstreckt sich über fast 1,2 Kilometer. Hier läuft der RS27 fast 14 Sekunden lang unter Volllast. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei über 310 km/h. Die passende Getriebeabstufung ist in dieser Passage von besonderer Bedeutung. Insbesondere die Abstimmung des siebten Gangs muss passen. Hierbei gilt es, die perfekte Balance zwischen optimaler Beschleunigung und maximaler Höchstgeschwindigkeit am Ende der Geraden zu finden – denn die Piloten dürfen hier den verstellbaren Heckflügel DRS einsetzen. In der Anbremszone vor der nächsten Kurve schalten die Fahrer bis in den zweiten Gang zurück. Dem Motor kommt hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle zu: Er muss beim Anbremsen für ein möglichst stabiles Fahrverhalten an der Hinterachse sorgen.

Der dritte Streckenabschnitt von Kurve elf bis Turn 21 besteht vorwiegend aus Rechtskurven, die im zweiten oder dritten Gang durchfahren werden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt in dieser Sektion bei nur 160 km/h. Die Ingenieure von Renault Sport F1 stimmen den RS27 für diesen langsameren Teil der Strecke daher auf eine gute Fahrbarkeit ab. Gleichzeitig muss sich das Triebwerk während der kurzen Beschleunigungsphasen zwischen den Kurven aber auch durch ein optimales Ansprechverhalten auszeichnen.

Sebastian Vettel, Red Bull Racing, über den Yas Marina Circuit in Abu Dhabi

Wie sich jeder denken kann, habe ich an Abu Dhabi sehr schöne Erinnerungen. Ich freue mich wirklich, dorthin zurückzukehren. Der Yas Marina Circuit ist eine moderne Rennstrecke mit nur sehr wenigen schnellen Kurven. Aber die Kombination aus engen Rechtskurven im letzten Sektor und langen Geraden gefolgt von Haarnadelkurven im zweiten Streckenabschnitt gestalten den Kurs überaus anspruchsvoll. Daher muss der Motor in allen Drehzahlbereichen optimal funktionieren. Auf der 1,2 Kilometer langen Gegengeraden benötigen wir die volle Höchstleistung, in den letzten Kurven hingegen kommt es vor allem auf eine gute Fahrbarkeit an. Renault Sport F1 hat in diesem Jahr auch auf vergleichbaren Kursen einen tollen Job gemacht. Daher bin ich zuversichtlich, dass uns an diesem Wochenende wie gewohnt die Power und Zuverlässigkeit zur Verfügung steht, die wir brauchen.

Der Abu Dhabi-Grand Prix aus Sicht von Rémi Taffin, Einsatzleiter Renault Sport F1

Der Yas Marina Circuit ist eine Rennstrecke neuesten Typs – das heißt der Kurs besteht vornehmlich aus langsamen und mittelschnellen Kurven, weist einige lange Geraden und an deren Ende einzelne Haarnadelkurven auf. Die Fahrer stehen nur 55 Prozent einer Runde voll auf dem Gas, und auch die Durchschnittsgeschwindigkeit von 190 km/h deutet an, dass diese Strecke für unsere RS27-Motoren keine übermäßige Herausforderung darstellt. Aus Sicht des Motoreningenieurs ist es trotzdem nicht einfach, die perfekte Abstimmung zu treffen. Das Motoren-Management wird von einer Reihe äußerer Faktoren beeinflusst: Der Benzinverbrauch etwa ist hier so hoch wie kaum auf einer anderen Strecke. Der Stop-and-Go-Charakter des Kurses, namentlich im letzten Sektor, treibt den Verbrauch in die Höhe. Der hohe Luftdruck an der Strecke – die bekanntlich auf Meereshöhe liegt – verstärkt diesen Effekt nochmals. Zusammen mit Melbourne füllen die Teams auf dem Yas Marina Circuit den meisten Kraftstoff in die Tanks.

Eine andere wichtige Aufgabe ist die effiziente Kühlung. Tagsüber ist es mit rund 28 Grad sehr warm, nachts fallen die Lufttemperaturen auf unter 19 Grad. Wegen dieser Differenz bräuchten wir eigentlich zwei verschiedene Kennfelder für die Motorsteuerung. Aber das Rennen beginnt nun mal im warmen Sonnenlicht und endet am kühlen Abend – also müssen wir einen Kompromiss finden. Das sollte klappen, denn wir haben jetzt schon 17 sehr erfolgreiche Grands Prix hinter uns und alle unsere Partnerteams waren mit dem Motor-Management das ganze Jahr über sehr zufrieden. Wir können allen unseren Fahrern für die letzten beiden Rennen noch einmal frische Motoren zur Verfügung stellen, das verschafft ihnen größere Spielräume. Immerhin gibt es noch einige WM-Punkte zu gewinnen!

Kurz notiert

Renault Sport F1 hat einige der RS27-V8 in den Freitagstrainings bis zu einer Gesamtlaufleistung von 2.800 Kilometern eingesetzt. Auf diese Weise konnten die Teams in Qualifyings und Rennen – wenn es auf jedes bisschen Extra-Power ankommt – häufiger frische Triebwerke einsetzen. Diese Strategie wurde durch verschiedene Eingriffe zur Verbesserung der Dauerhaltbarkeit im Winter und auch während der laufenden Saison ermöglicht. Erfolg: eine Laufleistung, die wohl kaum ein Formel 1-Triebwerk im Wettbewerb je zuvor erreichte.
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