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22.09.2023

Motorsport-Team der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: Saison gleicht Achterbahnfahrt

Das studentische Motorsportteam der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) hat in der Saison 2023 auf Risiko gesetzt, einen niederschmetternden Rückschlag erlebt und sich doch nicht unterkriegen lassen. Teamgeist und der Glaube an die eigenen Ideen haben das Team am Ende zu unerwarteten Erfolgen geführt.

Die Mitglieder des studentischen Motorsportvereins hatten lange auf diesen Tag hingearbeitet. In zweijähriger Arbeit hatten sie den G23e „Moni“ genannten Elektro-Rennwagen mechanisch nahezu vollständig neu konstruiert und mit zahlreichen technischen Finessen versehen.

Das Rennen auf der Rennstrecke von Varano in Norditalien im Juli – das erste der Saison – sollte den Beweis erbringen, dass der neue Renner das Zeug hatte, in der studentischen Rennsportklasse auf Augenhöhe mit den besten Teams der Welt zu fahren.

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Dass sie mit dem Start ein Risiko eingehen würden, war den Teammitgliedern bewusst. Denn den umfangreichen Simulationen zufolge würde der G23e herausragende Leistungen zeigen. Aber für Testfahrten war vor der Abreise nach Italien keine Zeit geblieben. Das mit Euphorie begonnene Wagnis endete für die Studierenden in einem Desaster: Ein Bruch am Fahrgestell während der technischen Abnahme beförderte den vielversprechenden Elektro-Rennwagen vorzeitig ins Aus. Damit war nicht nur dieser Wettbewerb für das junge Team aus Sankt Augustin gelaufen, sondern auch, wie es an diesem Tag schien, die neue Rennsaison insgesamt.

„Die 2023er Saison war besonders – es ist lange her, dass wir in einer Saison so viel mechanisch erneuert haben. Ohne Testkilometer zu dem Rennen in Italien zu fahren, war gewagt, den Point of no Return haben wir aber in Kauf genommen. Wir wollten das neue Konzept diese Saison fahren und nicht aufschieben“, blickt Teamleiter Simon Hoos zurück.

Zurückgekehrt nach Sankt Augustin, offenbarte die intensive Begutachtung in der heimischen Werkstatt das Ausmaß des Schadens: an der aus Verbundwerkstoffen gefertigten tragenden Struktur des G23e war eine Querlenkeranbindung abgerissen.

Sieben arbeitsintensive Tage und Nächte später wagten sich die Motorsportlerinnen und Motorsportler mit dem reparierten Rennwagen auf ihre vertraute Teststrecke auf dem Flugplatz Hangelar. Nach behutsamer Leistungssteigerung über mehrere Tage hinweg und erfolgreichen Bremstests reifte im Team die Überzeugung: Das letzte internationale Rennen, der Formula-Student-Wettbewerb im tschechischen Most, war machbar. Zugleich fasste es den Entschluss, angesichts des nicht vollumfänglichen Testprogramms das große Rennen zum Abschluss des Wettbewerbs sowie das zugehörige Qualifying nicht mitzufahren.

Die Tage in Tschechien forderten wiederum ein gewaltiges Maß an Nervenstärke: Zunächst galt es, die als besonders streng geltende technische Abnahme zu überstehen. Und da das kaum erprobte Auto in den fahrerischen Disziplinen nur zurückhaltend belastet werden sollte, waren gute Platzierungen bestenfalls in den statischen Disziplinen abseits der Rennpiste zu holen.

Unbeschreiblicher Jubel erfasste dann das Team, als es den zweiten Platz in der prestigeträchtigen Kategorie „Cost and Manufacturing zugesprochen bekam. Aufgabe hier war unter anderem, für den gesamten Herstellungsprozess eine detaillierte Kostenübersicht zu erstellen. Doch damit nicht genug: Obendrauf erreichten die Studierenden in der Königsdisziplin „Engineering Design“ den ersten Platz. In der Kategorie bewertet die Jury das Rennwagenkonzept. Alles in allem konnte das Team in den drei statischen Disziplinen rekordverdächtige 302 von 325 Punkten erringen.

„Ich bin daher mehr als zufrieden mit der Saison, denn ohne Risiko kein Fortschritt“, blickt Teambetreuer Professor Dirk Reith auf die Saison zurück. „Und wir haben die Bestätigung, dass wir mit den Entwicklungen einmal mehr das Potenzial haben, weit vorne dabei zu sein. Ich finde, eine der wichtigsten Erfahrungen dieses Projekts ist es, aus Fehlern zu lernen und Probleme lediglich als Anlass zu nehmen, weiter zu wachsen. Wir haben tolle junge Menschen, die genau diesen Spirit mitbringen, so dass wir alle uns auf die nächsten Schritte freuen können.“ 

INFO

Die Studierenden von BRS Motorsport bauen in ihrer Werkstatt auf dem Campus Sankt Augustin für jede Rennsaison ein neues Rennauto. Die Gruppe besteht seit 2006 und nimmt regelmäßig an der Formula Student in Europa teil. Seit 2014 baut sie ausschließlich elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Die Mitarbeit in der interdisziplinären Motorsport-Gruppe ist eingebettet in das Lehrangebot der Hochschule und wird betreut von Professor Dirk Reith. Die Entwicklung und der Bau des Rennwagens werden von Sponsoren unterstützt.
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