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Automobilsport
12.04.2019

Simulationen beschleunigen Weiterentwicklung des ID. R

Die Weiterentwicklung des ID. R läuft auf Hochtouren. Schon im Sommer 2019 soll der von zwei Elektromotoren mit 500 kW (680 PS) Systemleistung angetriebene Prototyp mit Romain Dumas am Lenkrad den Rundenrekord für Elektrofahrzeuge auf der Nürburgring-Nordschleife angreifen. Zusätzlich zu ausführlichen Testfahrten und zur Arbeit im Windkanal setzt Volkswagen Motorsport in der Vorbereitungsphase stark auf Computer-Simulationen. Die digitalen Werk­zeuge sind nicht nur eine unverzichtbare Unterstützung für die Ingenieure, sie haben auch den Vorteil der Zeit- und Kostenersparnis.

„Während Romain Dumas im Fahrsimulator die Strecke trainiert oder unterschiedliche Fahr­werksabstimmungen des ID. R testet, spielt auch für die Arbeit der Ingenieure Simulations­technologie eine elementare Rolle“, erläutert Dr. Benjamin Ahrenholz, Leiter Berechnung/Simulation bei Volkswagen Motorsport. „Im Fall der Nürburgring-Nordschleife kommt uns entgegen, dass wir zu Streckenverlauf und Fahrbahnbeschaffen­heit eine Fülle von Daten haben. Wir können damit den ID. R virtuell so effizient wie möglich gestalten, obwohl er real noch gar nicht auf der Nordschleife gefahren ist.“

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Was Pilot Dumas im virtuellen Cockpit durchspielt – Fachbegriff „Driver in the Loop“ –, ergänzt der Computer in der Offline-Fahrdynamiksimulation, indem er theoretisch unendlich viele Runden mit einem gespeicherten Profil dreht. Dabei wird unter anderem ermittelt, wie sich unterschied­liche Leistungsabgaben der Motoren oder eine Verlagerung des Fahrzeugschwer­punktes auf die Rundenzeit auswirken. Das Ziel: optimales Fahrverhalten und Ansprechver­halten der Motoren.
In der Strömungssimulation erforscht die Aerodynamik-Abteilung von Volkswagen Motorsport mithilfe der CFD-Technologie (Computational Fluid Dynamics), wie die Luft am effektivsten um den ID. R herum, aber auch durch die Kühlsysteme geführt wird. Gesucht wird hierbei der ideale Kom­promiss aus Abtrieb und Luftwiderstand. In der Batteriesimulation werden unterschiedliche Strategien zu Leistungsmanagement und Rekuperation verglichen, um die in den Batte­rien gespeicherte sowie die beim Bremsen zurückgewonnene elektri­sche Energie so effizient wie möglich zu nutzen.

Simulation erfüllt in Motorsport und Serienfertigung ähnliche Aufgaben

Und schließlich geht es in der Struktursimulation um die mechanische Auslegung von einzel­nen Bauteilen. „Die Nürburgring-Nordschleife stellt hohe Anforderungen an die Struktur eines Rennwagens. Ein Schwerpunkt der Struktursimulation sind deshalb Berechnungen zur Belastung von Chassis, Fahrwerk und Karosserie des ID. R“, beschreibt Ahrenholz. Zum Bei­spiel wird die soge­nannte Topologie-Optimierung auch in der Entwicklung von Serienfahr­zeugen ange­wandt. „Eine typische Aufgabenstellung in der Struktursimulation ist, ein Bauteil innerhalb eines vorgegebenen Raums zu konstruieren“, ergänzt Ahrenholz. Während in der Serienferti­gung die Forderungen allerdings meist möglichst lange Haltbarkeit und wirtschaftli­che Herstellung betreffen, lautete die Priorität beim ID. R: so stabil wie erforderlich, gleichzeitig so leicht wie möglich.
Weil die komplexen Simulationen extrem hohe Computer-Kapazitäten erfordern, erhalten Ahrenholz und sein Team umfangreiche Unterstützung von der Technischen Entwicklung der Volkswagen AG in Wolfsburg. „Die Berechnungen sind so aufwendig und damit zeitintensiv, dass wir sie manchmal auf mehrere Hundert Computer verteilen. Sie lösen die Aufgabe gewis­sermaßen im Teamwork“, erklärt Ahrenholz. „Für den Aufbau dieser sogenannten Cluster nut­zen wir auch Rechner-Kapazitäten der Serienentwicklung.“

3D-Druck für besonders komplexe Formen

Auch die Halterung des Heckflügels am ID. R, für die eine einfache Platte zwar effektiv, aber zu schwer gewesen wäre, entstand am Computer. „Der Algorithmus entwickelte die Struktur dieses Trägers auf eine Art und Weise, die beinahe wie organisches Wachstum aussieht“, führt Ahrenholz aus. Im Falle der Heckflügelhalterung gab der Computer schließlich eine komplexe Struktur vor, die ausreichende Materialstärke in den belasteten Bereichen vorsieht, an anderen Stellen dagegen dünneren Werkstoff oder sogar Aussparungen.
Sehr aufwendig gestaltete Formen, zum Beispiel bei Halterungen für Kabel oder Komponen­ten der Aerodynamik, würden sich konventionell nur zeit- und kostenintensiv anfertigen las­sen. „Bei Bedarf stellen wir solche Bauteile deshalb als Einzelstücke im 3D-Drucker aus spezi­ellen Kunststoffen her. Dies betrifft zumeist relativ kleine Teile, die keiner hohen mechani­schen Belastung ausgesetzt sind“, sagt Ahrenholz.

3D-Druck spielt bei der Produktion von Serienfahrzeugen nur eine untergeordnete Rolle. Doch die von Volkswagen Motorsport eingesetzten Computer-Simulationen gleichen denen, die von Volkswagen auch bei der Entwicklung der Baureihe ID. angewandt werden. Diese erneute Parallelität zwischen Motorsport und Serie kommt nicht von ungefähr: Der Rennwagen ID. R ist die sportliche Speerspitze der ID. Produktfamilie, mit der Volkswagen ab 2020 eine umfangreiche Elektromobilitätsoffensive startet. 
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