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Sonstiges
01.10.2018

Porsche Rennsport Reunion VI: Von Menschen und Maschinen

Die Porsche Rennsport Reunion VI in Laguna Seca (USA) zieht über 60.000 Fans der Marke aus Stuttgart in ihren Bann. An insgesamt vier Tagen treffen in Kalifornien leidenschaftliche Rennsport-Enthusiasten auf legendäre Fahrzeuge und unvergessene Werksfahrer aus den vergangenen fünf Dekaden. Rund 2.500 Fahrzeuge - von 356 Speedster bis RS Spyder, von 959 Dakar bis zum 919 Hybrid - begeistern die Besucher bei ihren schnellen Runden in sieben Wertungsklassen. Die sechste Auflage der Porsche Rennsport Reunion steht unter dem Motto „Champions“. Mit über 30.000 Rennsiegen ist der Sportwagenhersteller aus Weissach die mit Abstand erfolgreichste Marke im weltweiten Motorsport.

Wolfgang Porsche am Steuer der Nummer Eins

70 Jahre Sportwagen der Marke Porsche auf den Punkt gebracht. Im Rahmen der Rennsport Reunion VI in Laguna Seca unternimmt Dr. Wolfgang Porsche eine Ausfahrt im 356 No. 1 – dem ersten zugelassenen Fahrzeug des Sportwagenherstellers aus dem Jahr 1948. „Die Fahrt war ein Genuss“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der Porsche AG. „Die Korkenzieher-Kurve macht in einem richtig schnellen Auto bestimmt enorm viel Spaß. Ich kannte diese Passage bisher nur von unserer Strecke in Leipzig. Das Original ist noch viel beeindruckender.“ Der Porsche 356 Roadster war vor 70 Jahren von Ferry Porsche entwickelt worden. „Mein Vater hat sein Traumauto damals nirgends finden können. Also hat er es selbst gebaut“, sagt Dr. Wolfgang Porsche.

Porsche hält jung

Der leidenschaftliche Racer George Batcabe feiert am ersten Veranstaltungstag der Rennsport Reunion VI seinen Geburtstag. Er wird 86 Jahre alt. Der US-Amerikaner setzt sich in seinen 1956er Speedster und rast um die Strecke von Laguna Seca. „Warum soll das im Alter keinen Spaß mehr machen?“, fragt der Geschäftsmann aus dem Spielerparadies Reno im US-Bundesstaat Nevada. „Mein Porsche hält mich jung und fit“, erklärt er. Sein Rennfahrzeug ist sein treuer Begleiter. „Ich habe eine innige Beziehung zu meinem Speedster. Ende der 1950er-Jahre habe ich dieses Auto bei einem Transport zur Road America auf den Kopf gelegt. Es war total kaputt. Das Wrack habe ich 50 Jahre lang bei mir auf dem Hof gehabt. Pünktlich zur Rennsport Reunion 2015 war es endlich restauriert. Seitdem fahre ich regelmäßig bei Events. Solange ich niemandem im Weg stehe, werde ich weiterfahren. Das Alter spielt doch keine Rolle.“

Familiensache

Mentos und Chupa Chups sind sein Business, Porsche ist seine Nahrung fürs Leben. Der Norweger Egidio Perfetti, der in der Sportwagen-Weltmeisterschaft WEC den 911 RSR vom Porsche-Kundenteam Project 1 pilotiert, ist mit der Familie zur Rennsport Reunion angereist. Die jüngeren Brüder Daniele und Augusto fahren ebenso in historischen Elfern wie Vater Ambrogio. „Und mein Onkel ist unser Sponsor“, sagt Egidio Perfetti, aus dessen Sammlung beim Event in Laguna Seca acht Exemplare ausgestellt und gefahren werden. „Ich habe jetzt den legendären 962 in Coca-Cola-Design. Den durfte ich bisher nicht fahren. Papa hat ein bisschen Angst. Aber das legt sich bestimmt bald. Dann gebe ich Gas.“

Tempo als Business

Aus Leidenschaft wird großes Business. Das Unternehmen von Bruce Canepa restauriert Porsche-Rennklassiker. Er beschäftigt rund 70 Mitarbeiter. „Mein Vater hat früher mit Autos gehandelt – nur amerikanische Marken. Irgendwann gab jemand einen Porsche 911 in Zahlung. Den habe ich mir als 19-Jähriger immer heimlich für nächtliche Spritztouren geliehen. Es war einfach um mich geschehen und lässt mich bis heute nicht los“, sagt Canepa zwischen seinen zahlreichen Fahrten im Rahmen der Porsche Rennsport Reunion in Laguna Seca. „Wir haben gerade einen 917/30 restauriert. Den habe ich in Laguna Seca getestet. Nach vier Runden stand dort eine Rundenzeit, die mich im vergangenen IMSA-Rennen in die erste Startreihe gebracht hätte. Das Auto schiebt an wie verrückt!“

Porsche Traktor in Pink

Die „Sau“ macht sich vom Acker. Mit einem Gewicht von 2,3 Tonnen und einer Motorleistung von 25 PS ist der Porsche-Traktor sicherlich nicht das sportliche Highlight der Rennsport Reunion, aber dennoch ein Publikumsliebling. Das Team von Gunnar Racing hat dem traditionsreichen Gefährt eine „Pink Pig“-Lackierung verpasst. Zudem wurde ein großer Heckflügel installiert, um das Fahrzeug sportlicher erscheinen zu lassen. Aus gutem Grund: John Oates, Frontmann des berühmten Popduos Hall & Oates („Maneater“), will auf die Rennstrecke. Da ihm die Versicherung eine Fahrt im Rennwagen während der laufenden Tournee untersagt, wird der amerikanische Sportwagenfan nun im Traktor Gas geben. „Ihr werdet euch wundern. Ich habe in Colorado meine eigene Farm und einige Traktoren. Ich weiß, was man alles damit anstellen kann“, lacht der Popstar.

Unvergessener Gesamtsieg

Mit Freude in Kalifornien, mit den Gedanken in Sebring. Bei seinem Eintreffen im Paddock der Rennstrecke von Laguna Seca leuchten die Augen von Timo Bernhard, ein Lächeln legt sich auf das Gesicht. Timo Bernhard begegnet dem geliebten Porsche RS Spyder wieder. „Da kommt mir eine Erinnerung an unseren sensationellen Gesamtsieg 2008 in Sebring wieder in den Sinn“, sagt der Saarpfälzer. „Am Morgen vor dem Rennen sah ich am Eingang ein Banner, auf dem stand: 17 Sebring-Gesamtsiege für Porsche. Als ich nach dem Triumph die Strecke in der Nacht verließ, hatten Fans aus der 17 eine große 18 gemacht. Das war damals Emotion pur – und so ist es bis heute. Solche Gedanken habe ich bei der Rennsport Reunion immer wieder.“

Viele Jahre tonangebend

Der Porsche 911 Carrera RSR ist ein echter Champion mit Signalwirkung. Der für die Saison 1973 entwickelte Rennwagen setzte in den USA ein nachhaltiges Zeichen. Hurley Haywood und Peter Gregg pilotierten den Carrera RSR mit der Startnummer 58 in Daytona zum Gesamtsieg – und somit zum ersten Triumph eines Neunelfers in einem 24-Stunden-Rennen in Nordamerika. Das langjährige Porsche-Kundenteam Brumos Racing ließ anschließend viele weitere Siege folgen. Die weißen Fahrzeuge mit roten und blauen Streifen wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren zum Inbegriff der Porsche-Erfolge in Nordamerika. „Für den Porsche-Motorsport in den USA war das enorm wichtig“, erinnert sich Hurley Haywood im Rahmen der Rennsport Reunion VI. „Über viele Jahre haben wir die Spitze bestimmt.“

Ein Kiwi auf Weltreise

Lächelnd und stolz steht der Neuseeländer Paul Higgins neben seinem Brun Porsche 962 C. „Mein Auto, mein ganz großer Schatz“, strahlt der leidenschaftliche Liebhaber des historischen Motorsports. „Dieses Fahrzeug war 1989 bei den 24 Stunden von Le Mans auf Platz zehn. Diese Historie spürt man beim Einsteigen. Egal, ob ich damit in Sebring, Daytona oder Laguna Seca fahre – es ist immer ein bisschen Le-Mans-Feeling dabei.“ Gemeinsam mit seinem Sohn John setzt Higgins seinen Porsche-Klassiker weltweit ein. „Das ist schon teuer, aber es gibt mir ein Gefühl, das ich mir sonst nirgends für Geld kaufen könnte.“

Eine Lektion fürs Leben

„Ich verbinde mit so vielen Porsche-Rennautos sehr emotionale Erlebnisse“, sagt die belgische Motorsport-Legende Jacky Ickx beim Rundgang über die Rennsport Reunion VI in Laguna Seca. „Aber es sind die unglaublichen Momente, die ganz tief im Inneren verankert sind. Mir wird das immer wieder klar, wenn ich einen Porsche 936 sehe. In einem solchen Auto haben wir 1977 ein Rennen in Le Mans gewonnen, das eigentlich schon verloren war. Stunde um Stunde haben wir verbissen gekämpft, als Team restlos alles gegeben. Am Ende standen wir als Sieger ganz oben auf dem Podest. Wir haben das Unmögliche möglich gemacht. Niemals aufgeben – diese Lektion nimmt man in solchen Augenblicken nachhaltig für sich mit.“

Anwalt auf „Abwegen“

Lassen Sie ein Kind einen Porsche zeichnen. Was wird herauskommen? Die unvergleichliche Silhouette des 911. Beim Österreicher Thomas Gruber wäre es jedoch anders. „Ich mag den 914 einfach extrem gern“, sagt er und streichelt sanft über den roten Lack seines 914-6, der ehemals von Brumos in den USA eingesetzt wurde. „Es war das Ersatzauto von Brumos, das 1971 den großen Auftritt hatte: Klassensieg in Watkins Glen. Der Wagen fährt sich sensationell. Vor allem am Kurveneingang bin ich dank Gewichtsverteilung und Balance immer schneller als andere. Macht unendlich Spaß!“

Besser geht es nicht

Die deutsche Porsche-Legende Jochen Mass blickt sich bei der Rennsport Reunion in Laguna Seca ungläubig um. „Fantastisch, alle diese Rennautos zu sehen. Da wird mir erst einmal klar, was ich damals alles gefahren bin“, so Jochen Mass. Der Sebring-Sieger von 1987 kann es auch kurz vor seinem 72. Geburtstag nicht lassen. „Wenn ich die Autos sehe, dann will ich Gas geben. Vor allem im 962. Beim Blick auf die Fahrzeuge kommen auch viele Erinnerungen hoch. Ich denke zum Beispiel daran, dass es immer eine Wucht war, die Werksautos zu fahren. Wenn Kundenteams einen 962 etwas modifiziert hatten, war oft die gute Balance weg. Was sagt uns das? Lasst einen Porsche so, wie er ist. Besser geht es nicht.“

Die letzte Fahrt

Der finale Auftritt einer Le-Mans-Legende. Nach drei Gesamtsiegen bei den 24 Stunden von Le Mans, dem Gewinn der WM-Titel in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC und den Rekordfahrten auf der Nürburgring-Nordschleife und dem Circuit Spa-Francorchamps, dreht Porsche-Werksfahrer Earl Bamber (Neuseeland) im Rahmen der Rennsport Reunion die allerletzten Runden in der Evo-Version des Porsche 919 Hybrid. „Jeder will mal Formel 1 fahren. Ich brauche das jetzt nicht mehr. Was dieses Auto kann, geht über jede Vorstellungskraft hinaus“, so der Le-Mans-Champion. Das erfolgreiche LMP1-Hybridfahrzeug wird in den kommenden Wochen seinen Platz im Porsche Museum in Stuttgart beziehen.

Exklusive Überraschung

Star der Veranstaltung ist nicht einer der Klassiker, sondern ein brandneues Fahrzeug aus Weissach. Die Neuauflage des Porsche 935 begeisterte die Fans bei der überraschenden Präsentation am Donnerstag in Laguna Seca. Das für den Clubsport konzipierte Auto ist eine Hommage an eines der berühmtesten Rennfahrzeuge aus Weissach, den Porsche 935/78 – besser bekannt unter dem Namen „Moby Dick“. „Der neue 935 schiebt unwahrscheinlich nach vorn. Das macht einfach nur Spaß“, urteilt Werksfahrer Jörg Bergmeister. Das 700 PS starke Fahrzeug wird in einer limitierten Auflage von 77 Stück ab Sommer 2019 an die Kunden ausgeliefert.

Porsche-Blut in den Adern

Der 65-jährige Porsche-Enthusiast Kevin Jeannette aus Kalifornien hat mit seinem Team Gunnar Racing weit über 20 traumhafte Rennfahrzeuge nach Laguna Seca gebracht. „Die meisten gehören Freunden, nur wenige sind wirklich in meinem Besitz“, so der Amerikaner in aller Bescheidenheit. Beim Zählen seiner eigenen Autos hört er bei zehn auf und fügt grinsend an: „Okay, sind doch ein paar von mir dabei. Ich brauche das einfach. Ich habe Porsche-Blut in den Adern, ich liebe den Motorsport mit maximaler Leidenschaft. Für mich ist die Rennsport Reunion eine Gelegenheit, möglichst viele junge Menschen mit meinem Racing-Virus zu infizieren. Ob das über einen 911er im Disney-Pixar-Look gelingt oder über 962 mit Le-Mans-Tradition, ist doch egal.“

Schnelle Nachbarn

Tennis-Champion im PS-Paradies. Bei ihrem Besuch auf der Rennsport Reunion trifft Maria Sharapova auf Porsche Selected Driver Christina Nielsen. Die schnelle Dänin nutzt die Gelegenheit, der russischen Porsche Markenbotschafterin den neuen 911 GT3 R vorzustellen, den sie in der kommenden Saison in den USA fährt. „Und wie bekomme ich jetzt das zweite Bein ins Auto“, lacht die 1,88 Meter große Tennisspielerin beim Einsteigen in das Fahrzeug aus der GTD-Klasse. „Wir hatten sofort einen Draht zueinander, wohnen fast in Nachbarschaft in Los Angeles“, sagt Nielsen. „Ich gebe ihr in den nächsten Wochen gerne einmal eine Renn-Fahrstunde auf dem Gelände des Porsche Experience Centers in Los Angeles, dafür gibt mir Maria eine Lektion im Tennis.“
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