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FIA WEC
16.11.2016

Weltmeister Porsche kämpft um den Fahrertitel

Nach dem Weltmeistermeistertitel für Hersteller will Porsche am 19. November beim Finale der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft 2016 auch noch die Fahrer-WM holen. Die diesjährigen Le-Mans-Sieger Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE) treten mit 17 Punkten Vorsprung auf den bestplatzierten Toyota an.

Den Porsche-Piloten würde ein fünfter Platz mit dem 919 Hybrid zum WM-Titel reichen, selbst wenn der Toyota gewinnt und obendrein den Punkt für die Pole-Position holt. Zuverlässig und fehlerfrei durch das Sechsstundenrennen zu kommen, ist die absolute Grundvoraussetzung.

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Während das Trio mit der Startnummer 2 um die WM-Entscheidung fährt, steht auch der Crew des Schwesterautos mit der Startnummer 1 auf jeden Fall ein emotionales Wochenende ins Haus: Es wird der letzte gemeinsame Einsatz von Timo Bernhard (DE) und Brendon Hartley (NZ) mit Mark Webber. Der Australier beendet seine Profikarriere und wird zukünftig nicht mehr als Fahrer, sondern in seiner neuen Rolle als Porsche-Repräsentant dabei sein. Als amtierende Weltmeister haben die drei in diesem Jahr bislang vier Rennsiege erzielt. Weil sie zu Saisonanfang und in Le Mans Pech hatten, liegen sie derzeit dennoch nur auf dem vierten Tabellenplatz.

Auf der 5,412 Kilometer langen Formel-1-Rennstrecke in Sakhir fährt das Feld der WEC nach den Rennen in Le Mans und Austin zum dritten Mal in diesem Jahr in die Dunkelheit. Das Sechsstundenrennen wird um 16:00 Uhr Ortszeit gestartet. Das ist eine Stunde später als im Vorjahr und bedeutet, dass die Fahrer praktisch von Anfang an gegen die Blendung durch die tief stehende Sonne kämpfen. Um 16:45 Uhr wird sie hinter dem Horizont verschwinden. Der danach abkühlende Asphalt ist dem Porsche Team willkommen, denn bei Hitze ist die Konkurrenz im Vorteil. Der Streckenbelag in Bahrain ist wenig griffig, weil ständig feiner Wüstensand auf den Kurs weht.

„Sechs Siege in acht Rennen und der vorzeitige Gewinn des Hersteller-Titels sind eine fantastische Zwischenbilanz“, sagt Fritz Enzinger, Leiter LMP1. „Ich bin unheimlich stolz auf unsere gesamte Mannschaft. Da hat wirklich jeder alles gegeben, und das hat sich ausgezahlt. Jetzt werden wir noch einmal alle Kräfte mobilisieren, um auch die Fahrerkrone erneut zu holen. Das wird nicht einfach, garantiert spannend – und hoffentlich nicht so eine Zitterpartie wie 2015. Daran, dass dieses Rennen auch die Abschiedsvorstellung für Mark und für unseren geschätzten Wettbewerber Audi bedeutet, mag ich erst hinterher denken.“

Teamchef Andreas Seidl ergänzt: „Die Strecke und die zu erwartenden hohen Temperaturen kommen unserem 919 Hybrid weniger entgegen als der Kurs von Shanghai, wo wir klar das schnellste Auto hatten. Umso wichtiger ist eine starke Teamleistung für die optimale Vorbereitung und Fahrzeugabstimmung, anhaltende technische Zuverlässigkeit, weiterhin schnelle Boxenstopps und richtige Strategieentscheidungen. Natürlich wollen wir die Saison am liebsten mit einem Sieg und gleichzeitig dem Fahrertitel abschließen. Dafür werden wir alle bis zur letzten Runde kämpfen.“

Der in Weissach entwickelte Porsche 919 Hybrid bringt es auf eine Systemleistung von gut 900 PS (662 kW). Sein Verbrennungsmotor ist ein wegweisendes Downsizing-Triebwerk: Als kompakter Zweiliter-Vierzylinder treibt der aufgeladene Benziner die Hinterachse mit knapp 500 PS (368 kW) an. Zwei unterschiedliche Energierückgewinnungssysteme – Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie – speisen über eine Lithium-Ionen-Batterie einen Elektromotor, der auf Abruf die Vorderachse mit zusätzlich über 400 PS (294 kW) antreibt.

Stimmen vor dem Rennen

Timo Bernhard (35, Bruchmühlbach-Miesau, #1): „Als Abschluss der Saison und letztes Rennen für meinen Teamkollegen Mark wird das Wochenende auf jeden Fall sehr emotional. Wir werden alles geben, damit Mark zum Abschied das bestmögliche Resultat mitnimmt. Am liebsten möchten wir die Saison natürlich mit einem Sieg beenden. Es war in diesem Jahr nicht immer einfach für uns, aber es hat sich ausgezahlt, dass wir motiviert geblieben sind und stets nach vorne geschaut haben. Hohe Temperaturen und Sand auf der Strecke machen Bahrain zu einem schwierigen Terrain, da müssen wir alle Parameter richtig einschätzen.“

Brendon Hartley (27, Neuseeland, #1): „Einerseits freue ich mich auf Bahrain, andererseits stimmt mich die Aussicht darauf traurig, weil es unser letztes Rennwochenende mit Mark wird. Wir Drei sind zwar raus aus dem Titelkampf in der Fahrer-WM, aber wir wollen alles dafür tun, damit Mark seine Karriere mit einem Highlight beendet, und natürlich werden wir auch unser Schwesterauto unterstützen.“

Mark Webber (40, Australien, #1): „Bahrain wird natürlich kein normaler Einsatz für mich. Es wird sehr emotional. Dort anzukommen und zu wissen, dass ich das letzte Mal ernsthaft Rennen fahre, wird ein großer Moment für mich. Es kommen sehr viele Freunde aus der ganzen Welt, vor allem aus Australien und Europa, um mich zum letzten Mal fahren zu sehen. Natürlich würde ich meine Profilaufbahn gerne mit einem Sieg beenden, aber ganz unabhängig vom Ergebnis wünsche ich mir einfach ein gutes Rennen, um dann entspannt auf eine lange Karriere zurückblicken zu können, auf die ich sehr stolz bin. Ich habe mir schon ein paar Mal ausgemalt, wie es sich wohl anfühlt, wenn ich aus dem Auto steige. Helm ab, Balaclava runter, Ohrstöpsel raus – alles geschieht zum letzten Mal. Das wird etwas Besonderes. Aber ich freue mich auch darauf, all das in Zukunft nicht mehr tun zu müssen.

Romain Dumas (38, Frankreich, #2): „Das Rennen in Bahrain wird ein großer Tag – in etwa so wie Le Mans, weil es bei diesem letzten Rennen um so viel geht. Es ist hundertprozentige Konzentration gefordert, wir dürfen keine Fehler machen. Wir müssen diesen Weltmeistertitel holen.“

Neel Jani (32, Schweiz, #2): „Ein Saisonabschluss ist immer speziell, und in diesem Jahr ist er für uns etwas ganz Besonderes. Es geht für uns nur um eines: die Meisterschaft. Unsere Ausgangslage ist gut. Beim zurückliegenden Rennen in Shanghai war unser Tempo zu Anfang sehr gut, wir waren praktisch auf Titelkurs, sind dann aber zurückgefallen. Das haben wir analysiert und den Grund gefunden. Insofern bin ich sehr positiv gestimmt vor dem Finale. Nach dem Herstellertitel auch noch die Fahrer-Weltmeisterschaft zu besiegeln, wäre natürlich eine riesige Freude.“

Marc Lieb (36, Ludwigsburg, #2): „Ein Finale mit offener Titelentscheidung ist für alle extrem aufregend, und darauf freue ich mich. Ein fünfter Platz würde uns zum Gewinn der Fahrer-WM reichen. Wir hatten bisher ein sehr zuverlässiges Auto und hoffen, dass dies so bleibt. Und wir wollen im Finale unbedingt noch einmal zeigen, dass wir es besser machen können als in den zurückliegenden Rennen.“

Am Tag nach dem Finale finden am Sonntag in Bahrain noch Testfahrten statt. Dabei erhält auch der US-Amerikaner Gustavo Menezes als „Rookie“ Gelegenheit, mit dem Porsche 919 Hybrid zu fahren. Der 22-Jährige hat sich in Shanghai bereits den Titel in der FIA Endurance Trophy für LMP2-Fahrer gesichert.
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