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24h Nürburgring
20.05.2015

Kaiser besiegt seinen „Ring-Dämon“

Wirklich gut sah es für Patrik Kaiser unmittelbar nach dem Start zum 24h-Rennen am vergangenen Wochenende nicht aus: Schon nach seinem ersten Stint schien der Defekt-Teufel ihm erneut ein frühes Ende zu bereiten. Doch dank erstklassiger Teamleistung und kontrolliert schneller Fahrt landete Kaiser nach 24 Stunden weit vorne.

Startfahrer Kaiser machte im Getümmel der ersten Startgruppe alles richtig: Er hielt sich aus sämtlichen Rangeleien raus, steckte mehr als einmal zurück und rutsche von Startplatz 45 sogar ein paar Plätze nach hinten. „In einem 24-Stunden-Rennen ist das kein Problem. Im Gegenteil: Probleme bekommst du, wenn du ganz vorne mitfahren willst und dir dabei schon in Runde eins das Auto beschädigst. Wer als erster in die erste Kurve einbiegt – das ist nur was fürs Album, nicht wirklich für den Sieg“, erklärt Kaiser nach dem Rennen. Nachdem die drei Startgruppen im Rennen waren und sich das Feld sortiert hatte, fand Kaiser rasch seinen Rhythmus.

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Auf dem Weg nach vorne machte er die verlorenen Plätze wieder gut, als sich ein Defekt ankündigte: „Der Porsche ließ sich plötzlich nicht mehr richtig schalten. Der Wagen war kurz vorm Rennen mit einer Lenkradschaltung, mit sogenannten Paddels, nachgerüstet worden. Also bin ich gegen Ende meines ersten Stints in die Box, wo die Mechaniker bereits warteten. Fieberhaft arbeiteten sie an der Schaltung und schickten mich wieder ins Rennen. Zunächst schien das Problem behoben, trat aber kurze Zeit später wieder auf.“ Kaiser steuert erneut die Box an, die Schrauber von Getspeed geben alles, um den Fehler zu finden. Nach für Kaiser unzähligen Runden mit Boxenaufenthalt haben die Mechaniker den Fehler ausfindig gemacht und behoben. Eine extra angefertigte Kühlung für den Schaltkompressor schaffte Abhilfe – ab dann lief der Porsche fehler- und problemlos. Durch die technischen Schwierigkeiten und ständigen Boxenstopps wurde der Porsche nach sechs Stunden auf dem 95. Gesamtrang geführt.

Nach Kaiser wechseln sich seine drei Fahrerkollegen Ulrich Berg (Rupichteroth/D), Maxence Maurice (Frankreich) und Camilo Echevararria (Argentinien) planmäßig mit der Arbeit hinterm Lenkrad ab. Als der Liechtensteiner mit profillosen Slicks in seinen zweiten Stint startet, ahnte niemand, dass schon wenige Augenblicke später der Himmel seine Schleusen öffnen würde. „Ich hatte große Schwierigkeiten, den Wagen bei strömendem Regen auf der Strecke zu halten. Andere Fahrer hatte deutlich weniger Glück: Ich habe so viele Unfallstellen passiert, wie schon lange nicht mehr. In der Box bekam ich Regenreifen und konnte so wieder echtes Rennen fahren.

Danach war jedoch an eine störungsfrei Fahrt nicht mehr zu denken: Runde um Runde wurde ich durch „Code 60“ eingebremst. Code 60 wird an Unfallstellen ausgerufen, die besonders schwer oder an gefährlichen Stellen sind – hier darf mit maximal 60km/h gefahren werden.“ Trotz aller Schwierigkeiten übersteht Kaiser auch diesen Stint unbeschadet – der Wechsel-Reigen unter den Fahrer wird routiniert weitergeführt. Stunde um Stunde, Runde um Runde fahren sich die vier in der Gesamt- und Klassenwertung weiter vor. Zur Halbzeit um 04:00 Uhr morgens lag Kaiser mit seinen Kollegen schon auf Rang 49. Binnen sechs Stunden hatte das Quartett 46 Plätze gut gemacht. Die Aufholjagd war damit noch nicht beendet. „Im Gegenteil,“ so Kaiser, „als wir merkten, es geht was nach vorne, haben wir uns noch mehr ins Zeug gelegt. Ohne auf Messers Schneide zu fahren, machten wir weiter Plätze gut. Die Situation auf der Strecke – Regen – Dunkelheit – Unfälle – besserte sich, als der Morgen anbrach.“

Während der Wagen problemlos lief und das Team einwandfrei arbeitete, fingen bei Kaisers französischem Kollegen Maxence Maurice die Probleme an. „Der Kollege schien körperlich angeschlagen und offenbar setzten ihm die Strapazen des Rennens mehr zu, als er es anfänglich dachte. Als Dreiviertel des Rennens beendet waren und wir auf Rang 33 lagen, beendete Maxence das Rennen. Für mich standen dann Doppelstints an.“ Kaiser, körperlich und mental extrem gut vorbereitet, machte die zusätzliche Belastung zunächst nichts aus. Erst gegen Ende merkte er die Strapazen und dennoch – weiter voll auf Angriff, ohne den Wagen an seine Grenzen zu fahren, drehte er seine Runden.

„Dass ich dieser Belastung standhielt, war auch das Verdienst des perfekt vorbereiteten Autos durch Getspeed. Nur der Sitz war im Becken etwas zu eng, aber sonst passte alles wie angegossen. Der Wagen ließ sich einfach fahren, reagierte so, wie ein Rennauto zu reagieren hat.“ Als 27. überquerte der Porsche nach 24 Stunden die Ziellinie. In der Klassenwertung wurde Kaiser mit seinen Kollegen auf Rang acht von 19 gestarteten geführt. „Wie ich mich fühle? Ich bin ziemlich ausgelaugt und mächtig stolz darauf, unter den ersten 30 das Ziel überquert zu haben, ohne einen einzigen Kratzer am Auto. Nach drei Anläufen konnte ich meinen „Ring-Dämon“ beim 24h-Rennen bezwingen. Jetzt bin ich richtig heiß auf das nächste Rennen. Ob ich jedoch am 20. Juni in der Langstreckenmeisterschaft starte, hängt davon ab, auf welchem Fahrzeug ich starten kann. Bis dahin vergehen aber noch etliche Tage, in denen ich mich zunächst erholen werde und dann wieder mit meinem Fitnesstraining starte.“
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