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Rallye Allgemein
26.06.2013

Sepp Wiegand: „Mein Traum ist der Klassensieg“

Er ist jung, er ist schnell und er ist erfolgreich – die Rede ist von Sepp Wiegand. Der 22-jährige Motorsportler aus dem Erzgebirge gilt als derzeit größtes deutsches Rallye-Talent. Auch Walter Röhrl hält große Stücke auf ihn und das nicht erst seitdem der Skoda-Pilot im Januar 2013 bei der Rallye Monte Carlo für Furore sorgte.

Klassensieg in der WRC-2-Kategorie und ein achter Rang in der Gesamtwertung – gleich bei seiner ersten „Monte“ war der Deutsche in Schlagdistanz zu den besten Rallye-Piloten der Welt. Nach drei weiteren WM-Einsätzen und zwei weiteren Podiumsplätzen freut sich der WM-Fünfte der WRC-2 Wertung nun auf die ADAC Rallye Deutschland (22. bis 25. August 2013). Im Interview spricht er über seine Vorbereitungen und über den Stellenwert des „Heimspiels“.

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Herr Wiegand, wie bereiten Sie sich auf die ADAC Rallye Deutschland vor?
Sepp Wiegand: „Meine Vorbereitungen auf die ADAC Rallye Deutschland sind grundsätzlich ganz ähnlich zu denen auf andere Weltmeisterschaftsläufe. Ausgenommen davon, dass ich aus dem vergangenen Jahr noch eigene Aufnahmen aus dem Training habe. Diese Onboard-Bilder werde ich mir für dieses Jahr noch einmal genau anschauen. Bei anderen Rallyes habe ich diese Möglichkeit nicht, da ich bis auf die ADAC Rallye Deutschland noch keinen WM-Lauf zum zweiten Mal gefahren bin.“

Was sind Ihrer Meinung nach die Besonderheiten der ADAC Rallye Deutschland?
Sepp Wiegand: „Für mich ist die ADAC Rallye Deutschland aufgrund der Wertungsprüfungen in den Weinbergen so einzigartig. Mit teilweise sehr hohen Geschwindigkeiten geht es dabei über schmale, verwinkelte Wege bergauf und bergab durch die Rebstöcke – da ist kein Platz für Fehler. Auf einer Seite hat man oft hohe Beton- oder Steinmauern, auf der anderen Seite steile Abhänge. Der kleinste Fehler kann das Aus bedeuten. Ebenfalls eine Besonderheit der ADAC Rallye Deutschland ist der Untergrund: Ich kenne keine andere Rallye, wo man auf einem ähnlichen Asphaltbelag unterwegs ist. Dieser kann durch Cuts, also durch das Schneiden der Kurven, teilweise extrem rutschig werden – das bedeutet eine enorme Herausforderung für die Konzentration. Auch das Einprägen der Strecke fällt in den Weinbergen schwerer, da sich zahlreiche Stellen sehr ähneln. Deshalb verlangen insbesondere diese Prüfungen der ADAC Rallye Deutschland dem Fahrer, dem Beifahrer und dem Material alles ab.“

Welche Ziele haben Sie sich für den deutschen Weltmeisterschaftslauf gesteckt?
Sepp Wiegand: „Natürlich wäre es mein großer Traum, die ADAC Rallye Deutschland in meiner Klasse zu gewinnen. Im eigenen Land und vor den heimischen Fans eine so wichtige Rallye für sich zu entscheiden, muss eine ganz außergewöhnliche Erfahrung sein. Der Weg dahin ist jedoch nicht leicht: Wir sollten versuchen, einen guten, aber auch sicheren Speed zu finden. Eine Mischung, mit der wir keinen Ausfall riskieren aber dennoch schnelle Zeiten fahren können. Und dann schauen wir mal, was am Ende dabei heraus kommt. Wir werden jedenfalls alles geben.“

Welche Rolle spielt der „Heimvorteil“? Gibt es den überhaupt bei einer Rallye?
Sepp Wiegand: „Der Heimvorteil ist schon sehr wichtig. Ich würde aber nicht von mir behaupten, dass ich bei der ADAC Rallye Deutschland ein 'Lokalmatador' bin. Trier ist dann doch gut 600 Kilometer von meiner Heimat entfernt. In Sachen Streckenkenntnis habe ich vielleicht so etwas wie einen kleinen Heimvorteil gegenüber Fahrern, die hier noch nie gefahren sind. Immerhin war ich schon zweimal bei der ADAC Rallye Deutschland dabei, allerdings mit zwei komplett unterschiedlichen Fahrzeugen – 2011 mit einem 170 PS-Fronttriebler und 2012 mit dem 270 PS starken Skoda Fabia S2000. Doch im Grunde ist mein Vorteil – wenn man so will – nicht wirklich groß: Gegenüber den Vorjahren gibt es doch zwei neue Wertungsprüfungen, veränderte Streckenführungen oder auch eine Prüfung, die in entgegengesetzter Richtung gefahren wird. Neben mir wird mit Frank Christian auch ein anderer Co-Pilot sitzen als in den Jahren zuvor. Sehr gespannt bin ich auf den Rallye-Beginn am Kölner Dom. Die dortige Fahrer-Präsentation wird bestimmt ein tolles Erlebnis. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Begrüßung der Fans besonders bei uns deutschen Teilnehmern noch ein wenig lauter ausfällt als bei den anderen. Das ist noch mal eine schöne extra Motivation für die kommenden 16 Wertungsprüfungen.“

Wie sieht Ihr typischer Tagesablauf während einer Rallye aus?
Sepp Wiegand: „Das ist von Rallye zu Rallye unterschiedlich. Grundsätzlich gilt aber, dass man während eines Weltmeisterschaftslaufs immer sehr lange Tage hat. Und das bereits bevor es bei den Wertungsprüfungen um Punkte und Platzierungen geht. Zum Beispiel beim 'Recce' – da ist man oft schon um sieben Uhr morgens auf der Strecke und der Tag endet meist nicht vor Mitternacht mit der Bearbeitung des Aufschriebs im Hotel. Wenn die Rallye begonnen hat, sieht das ähnlich aus, nur variiert der Start morgens von Rallye zu Rallye. Bei der Rallye Schweden beispielsweise klingelte mein Wecker schon um 4:15 Uhr. Am Abend geht es ebenfalls lange, da man sich noch die Trainings-Videos von den einzelnen Prüfungen als Vorbereitung für den folgenden Tag anschaut.“

Zum Abschluss noch eine Frage zum Thema Nachwuchsförderung: Was ist Ihr Tipp für junge Talente, die ihren Weg im Rallye-Sport machen möchten?
Sepp Wiegand: „Seid ehrgeizig und leidenschaftlich! Neben dem fahrerischen Talent sind das vermutlich die wichtigsten Voraussetzungen. Um im Rallye-Sport Fuß zu fassen, müssen aber noch mehr Rahmenbedingungen stimmen: Zum Beispiel die Unterstützung von der Familie oder von Dritten, die an dich glauben und dich fördern und fordern. Zum Glück gibt es im deutschen Motorsport inzwischen auch sehr gute Strukturen dafür, wie etwa durch die ADAC Stiftung Sport. Vergangenes Jahr war ich selber noch in dem Programm und konnte davon profitieren. Auch Sebastian Vettel war einmal Förderpilot der ADAC Stiftung Sport. Wer also eine Karriere im Motorsport starten möchte, ist hier gut aufgehoben.“
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