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FIA WEC
02.11.2015

Porsche holt Hersteller-WM mit weiterem Doppelsieg

Mit dem fünften Sieg in Folge hat sich Porsche in Shanghai zum Weltmeister gekrönt. Bereits ein Rennen vor Saisonende kann dem jungen Team aus Weissach niemand mehr den Titel in der Herstellerwertung der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC streitig machen. In Shanghai siegten Timo Bernhard (DE), Brendon Hartley (NZ) und Mark Webber (AUS) in dem Sechsstundenrennen, das zu etwa zwei Dritteln auf nasser Strecke ausgetragen wurde. Das Schwesterauto mit Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE) belegte Platz zwei und machte damit den vierten Doppelsieg der Saison für das Porsche Team perfekt.

Porsche hat sich mit 308 Punkten gegen Audi (238 Punkte) und Toyota (137) durchgesetzt. Es ist der 13. Langstrecken-WM-Titel für den Hersteller Porsche und der erste seit 1986. Zwischen 1964 und 1986 gewann Porsche zwölf Mal die damalige Sportwagen-Weltmeisterschaft.

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Der Fahrertitel wird beim Finale der WEC am 21. November in Bahrain entschieden. Es führen die Porsche-Piloten Bernhard/Hartley/Webber mit 155 Zählern vor drei Audi-Fahrern mit 143 Punkten.

So lief das Rennen für die Startnummer 17:

Nach dem Start hinter dem Safety-Car und der Rennfreigabe am Ende der vierten Runde blieb Polesetter und Startfahrer Brendon Hartley in Führung. Er kam nach 33 Runden zum Tanken und Reifen wechseln an die Box. Noch immer ließen die Bedingungen nur Regenreifen zu. Das Team nutzte die dritte der folgenden Neutralisationsphasen (Full Course Yellow) für den nächsten Stopp. Timo Bernhard übernahm nach 52 Runden, wieder wurden Regenreifen aufgezogen. In Führung lag vorläufig der Audi Nummer 8. In der Runde 57 zog der Audi Nummer 7 an Bernhard vorbei und in Runde 61 auch das Schwesterauto mit Neel Jani am Steuer. Als die beiden Audi tankten, lag Bernhard auf zweiter Position hinter Jani. Daran änderte auch sein Boxenstopp am Ende der 84. Runde nichts. Bernhard verzichtete auf einen Reifenwechsel und schloss zu Jani auf. In der 101. Runde machte Jani ihm Platz, weil die Nummer-17-Crew zu diesem Zeitpunkt schneller unterwegs war. In Führung liegend, kam Bernhard nach 115 Runden an die Box. Mark Webber übernahm und wurde mit profillosen Intermediatereifen ausgestattet. Nach 132 Runden wechselte er auf Slicks und behielt weiterhin die Führung. In der 155. Runde kam er zu seinem letzten Tankstopp, bei dem er erneut frische Slicks erhielt. Anschließend lief er auf Romain Dumas im Schwesterauto auf, bis der Franzose noch einmal tankte – und für den Porsche 919 Hybrid mit der Nummer 17 der Weg zum Sieg frei war.

So lief das Rennen für die Startnummer 18:

Marc Lieb startete von Platz zwei und schob sich sogar kurzzeitig in Führung, als Hartley Schwierigkeiten beim Boosten hatte, wurde dann aber von André Lotterer (Audi Nummer 7) touchiert und drehte sich. Lieb reihte sich als Letzter wieder ins Rennen ein, überholte binnen fünf Runden 25 Autos und schloss wieder zu den LMP1-Fahrzeugen auf. Ende der 20. Runde überholte er den Toyota mit der Nummer 2 und verbesserte sich auf Position fünf. Nach 33 Umläufen kam er zum Tankstopp und erhielt einen weiteren Satz Regenreifen. Die dritte der folgenden Neutralisationsphasen (Full Course Yellow) nutzte das Team zum Boxenstopp. Lieb übergab nach 52 Runden als Zweitplatzierter an Neel Jani, der auf Regenreifen weiterfuhr und zunächst an vierter Position lag. Mit schnellen Zeiten preschte der Eidgenosse nach vorn und nahm dem Audi Nummer 7 in der 72. Runde die Führung ab. Nach 83 Runden tankte Jani nach, verzichtete auf frische Reifen und blieb vorn. In der 101. Runde ließ er Timo Bernhard vorbeiziehen, da er temporär mit zu hohen Bremstemperaturen kämpfte. Nach 114 Runden übergab Jani an Romain Dumas, der auf profillosen Intermediate-Reifen weiterfuhr. Ein Missverständnis bei einer Überrundung im 126. Umlauf führte zu einem Dreher. Danach war Dumas kurzfristig Dritter, bis der Audi Nummer 7 ohnehin tanken musste. Nach 132 Runden wechselte Dumas auf Slicks. Kurzfristig fiel er auf Platz vier zurück, übernahm nach den Stopps der Audi und seines Teamkollegen dann rundenlang die Führung und kam nach seinem letzten Tankstopp ohne Reifenwechsel Ende der 162. Runde als Zweiter ins Ziel.

Stimmen nach dem Rennen:

Fritz Enzinger, Leiter LMP1: „Es dauert sicher einige Tage, bis wir vollständig realisieren, was wir heute geschafft haben. In unserer erst zweiten Saison nach Le Mans auch die Hersteller-Weltmeisterschaft zu gewinnen, ist unglaublich. Aufgrund der wechselnden Witterungsbedingungen haben wir sechs Stunden extreme Anspannung erlebt. Danke an alle, die an diesem Erfolg mitgearbeitet haben, in Weissach und ganz generell bei Porsche. Jetzt bemühen wir uns darum, auch den Fahrertitel nach Stuttgart zu holen.“

Andreas Seidl, Teamchef: „Erst einmal mein Dank an alle daheim in Weissach und hier an der Strecke. Dieser Titel gehört allen Beteiligten im Team. Nach dem schwierigen Rennen in Fuji haben wir heute als Mannschaft eine weitere strategische Meisterleistung vollbracht. Wir konnten uns in jedem Moment und unter allen Umständen auf unsere Reifen von Michelin verlassen. Trotz der Rückschläge, die wir speziell mit dem Nummer-18-Porsche verkraften mussten, ließen wir uns nicht aus der Ruhe bringen. Die drei Fahrer haben sich in unglaublicher Manier vom letzten Platz wieder zurück ins Rennen und an die Spitze gekämpft. Die Crew der Nummer 17 hat ihren Lauf fortgesetzt und auch verdient gewonnen. Unsere Mechaniker waren heute die besten in der Boxengasse.“

Alexander Hitzinger, Technischer Direktor: „Im zweiten Jahr Le Mans zu gewinnen und schon ein Rennen vor Saisonende Weltmeister zu werden, dazu jedes Qualifying dominiert zu haben – mehr geht nicht. Ich bin unsagbar stolz auf diese Truppe. Wir waren in der Entwicklung aggressiv und haben bei der Performance keine Kompromisse zugelassen, sind dafür aber auch Risiken eingegangen. Trotzdem haben wir den Porsche 919 Hybrid rechtzeitig standfest gemacht.“

Fahrer Porsche 919 Hybrid (Nummer 17)

Timo Bernhard (34, Bruchmühlbach-Miesau): „Es war ein ereignisreiches Rennen. Als ich während einer Neutralisationsphase einstieg, stand richtig viel Wasser auf der Strecke und ich fuhr zwischen den beiden Audi in der Gischt. Ich musste mich erst orientieren, denn ich bin hier zuvor keine einzige Runde im Nassen gefahren und wollte kein zu großes Risiko eingehen. Unser Porsche war schnell – und als die Strecke abtrocknete, das schnellste von allen. Ich hatte schöne Positionskämpfe mit den Audi und mit Neel. Letztlich konnte ich die Führung übernehmen. Heute haben wir unser großes Ziel erreicht.“

Brendon Hartley (25, Neuseeland): „Meine beiden Stints zu Rennbeginn waren gut. Es herrschten keine einfachen Bedingungen, vor allem als der Regen ungefähr ab der 45. Runde wieder zunahm. Die Sicht war sehr schlecht, und ich hatte Aquaplaning. Ich musste hart fahren, weil die Audi von hinten drückten. Aber mir ist kein Fehler unterlaufen, und so konnte ich Timo das Auto in Führung liegend übergeben.“

Mark Webber (39, Australien): „Was dieses Team in so kurzer Zeit geschaffen hat, ist unfassbar. Ich war ja schon in einige ziemlich professionelle Sportprojekte involviert und kann sagen: Es ist beeindruckend, auf diesem Level einzusteigen und im zweiten Jahr solche Ergebnisse zu erzielen. Es ist hoch komplex, diese Autos zu bauen und Wochenende für Wochenende so eine Vorstellung zu liefern. Das Fahrzeugkonzept ist mutig, und jeder hat hart gearbeitet. Der Hersteller-Titel ist großartig für Porsche. Es macht Spaß, für dieses Team Rennen zu fahren.

Fahrer Porsche 919 Hybrid (Nummer 18)

Romain Dumas (37, Frankreich): „Es war ein tolles Rennen mit einem großartigen Ergebnis für Porsche. Unser Schwesterauto hatte den Sieg heute verdient, sie waren stark unterwegs. Ich musste mehr Risiko eingehen als nötig gewesen wäre, weil ich hinter Mark einen Fehler gemacht und mich rausgedreht habe. Trotzdem war es ein klasse Renntag für uns alle.“

Neel Jani (31, Schweiz): „Marc hatte das Auto nach dem Zwischenfall in Kurve eins super wieder an die Führungsgruppe zurückgebracht. Als ich es übernahm, regnete es gerade sehr stark. Die Sicht war schlecht und es gab Aquaplaning. Aber das Auto fuhr sich super unter diesen Bedingungen, ich konnte attackieren und habe mich von Platz vier aus an die Spitze gekämpft. Gegen Ende des ersten Stints bekam ich aber Probleme mit der Bremstemperatur. Das war etwas problematisch, denn bei nasser und halbnasser Strecke kann man eine unberechenbare Bremsbalance nicht gut brauchen. Ich hatte einige Momente, in denen ich fast von der Strecke geflogen wäre. Mein Stint hatte also alles.“

Marc Lieb (35, Ludwigsburg): „Ich hatte einen guten Start, wurde in der ersten Runde aber leider getroffen und landete neben der Strecke. Ich hatte Schwierigkeiten, das Auto wieder zu starten, das kostete weitere Zeit. Dann habe ich mich auf den langen Weg zurück nach vorn gemacht. Das Auto untersteuerte anfangs ein bisschen zu stark, dann lag es gut. Als es stärker regnete, wurde es noch besser.“
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