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Formel 1
28.07.2011

Renault Sport F1 für den Hungaroring gerüstet

Nur eine Woche nach dem spektakulären Auftritt der Formel 1 auf dem Nürburgring findet am kommenden Wochenende der Große Preis von Ungarn auf dem Hungaroring statt. Das Rennen vor den Toren der Hauptstadt Budapest ist der elfte von 19 Läufen zur FIA Formel 1-Weltmeisterschaft 2011. Renault Sport F1 möchte mit seinen drei Partnerteams vor der vierwöchigen Sommerpause weitere Erfolge einfahren.

Der 4,381 Kilometer lange Hungaroring zählt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 182 km/h zu den langsamsten WM-Läufen des Jahres – und mit Lufttemperaturen um die 26 Grad Celsius oft auch zu den heißesten. Die Motorentechniker stellt der Hungaroring damit vor zwei Herausforderungen: Erstens müssen die Triebwerke im unteren Drehzahlbereich kraftvoll zupacken, zweitens kommt der effizienten Motorkühlung noch größere Bedeutung zu als in Monaco, wo es während des Grand Prix in der Regel nicht so heiß ist wie in Budapest.

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Der Große Preis von Ungarn ist seit 1986 fester Bestandteil des Formel 1-Kalenders. Das Rennen in der Puszta war der erste Grand Prix jenseits des damaligen „Eisernen Vorhangs“. Die erste Pole Position sicherte sich Ayrton Senna im Lotus 98T mit dem berühmten Renault 1,5-Liter-V6-Turbo. Der erste Sieg für Renault folgte 1990, als Thierry Boutsen in seinem Williams-Renault FW13B mit dem revolutionären V10-Saugmotor triumphierte. Seitdem hat Renault weitere sechs Siege in Budapest erzielt, darunter 1995 bis 1997 in ununterbrochener Folge. Der jüngste Erfolg geht auf das Konto des Partnerteams Red Bull Racing, für das Mark Webber 2010 auf dem Hungaroring siegte.

Der Hungaroring aus Motorensicht

Erster Sektor

Die Distanz vom Start bis zur ersten Kurve ist relativ lang – hier wird ein gut funktionierendes Energierückgewinnungssystem (KERS) deutliche Vorteile bringen. Turn 1 ist eine Haarnadel-Rechts, vor der die Piloten von 288 auf 94 km/h verzögern. Hier kommt es auf eine effektive Motorbremse an. Ausgangs der ersten Kurve ändert sich die Neigung der Strecke. Das kurze Bergabstück hängt leicht nach außen, sodass die Autos hier zum Untersteuern neigen. Kurve 2 ist die wohl kniffligste des ganzen Kurses. Durch das Gefälle ist es schwierig, den idealen Bremspunkt zu treffen. Nicht selten blockiert hier ein Rad oder die Piloten verfehlen den Scheitelpunkt. Solche Fehler rächen sich umgehend, denn sie kosten Schwung für das anschließende Geradeausstück. Mit einer Länge von 790 Metern ist dies die einzige wirkliche Gerade neben der Start- und Zielpassage. Und damit auch eine von nur zwei Möglichkeiten, auf der die Motoren einmal „durchatmen“ können.

Zweiter Sektor

Turn 4 wird im sechsten Gang mit 225 km/h genommen und ist damit die schnellste Kurve der Strecke. Sie weist im Bergaufstück eine kleine Bodenwelle auf. Der zweite Sektor ist der kurvigste Streckenteil. Die Autos werden meist im dritten Gang bewegt und erreichen an der schnellsten Stelle von Sektor 2 gerade einmal 245 km/h. Für die Piloten gehen die Dritte-Gang-Kurven fast nahtlos ineinander über. Turn 5 ist eine 270-Grad-Kehre, auf der die Fahrer sehr geduldig mit dem Gaspedal umgehen müssen – jeder heftige Gasstoß bringt das Auto auf den Bodenwellen aus der Balance. Anschließend stechen die Fahrer in die mit 100 km/h eher langsame Schikane, die aus den Kurven 6 und 7 besteht. Die Kurven 8 bis 11 gehen fließend ineinander über und wirken aus der Cockpit-Perspektive fast endlos. In dieser Kurvensequenz läuft der Motor überwiegend in den unteren Drehzahlbereichen und muss über ein gutes Ansprechverhalten verfügen. In Turn 11 sind Einlenken und Herausbeschleunigen gleichermaßen wichtig, denn hier schließt sich eine kurze Gerade an.

Dritter Sektor

Nach dem kurzen Geradeausstück biegen die Piloten mit Turn 12 in die „Arena“ des Kurses ein. Hier und in den folgenden 180-Grad-Kurven sind schnelle Richtungswechsel gefragt. Das Triebwerk sollte durch eine sehr feine Dosierbarkeit dazu beitragen, dass der Fahrer seinen Schwung durch die gesamte Kurvenfolge bis Turn 14 mitnehmen und dort früh auf die Zielgerade beschleunigen kann.

Der Ungarn-Grand Prix aus Sicht von Rémi Taffin, Einsatzleiter Renault Sport F1

Salopp gesagt, erfordert der Hungaroring den Fahrstil „Einlenken-und-Drauftreten“: Auf langsame Kurven folgen kurze Geraden, auf denen wir kurzfristig möglichst viel Power benötigen. Lange Vollgaspassagen gibt es kaum. In ihrer Charakteristik ähnelt diese Rennstrecke vor den Toren von Budapest dem Grand Prix-Kurs von Monaco. Sie erinnert an eine Kartbahn, nur ohne Leitplanken. Mit Ausnahme der Start-Ziel-Geraden und der Geraden zwischen Kurve 3 und 4 gibt es keine langen Vollgaspassagen. Die Kombination aus Zweiter-, Dritter- und Vierter-Gang-Kurven beansprucht Auto und Motor stark – vor allem zu dieser Jahreszeit, wo wir mit hohen Außentemperaturen rechnen müssen.

Aus diesem Grund spielt die optimale Motorkühlung eine entscheidende Rolle. Daher arbeitet Renault Sport F1 eng mit den Chassis-Ingenieuren zusammen, um Lösungen zu finden, die die Aerodynamik des Autos nicht unnötig beeinträchtigen. Wie in Monaco benötigen wir in den langsamen Kurven möglichst viel Abtrieb. Daher schwächt jeder zusätzliche Lufteinlass zur Motorkühlung das Gripniveau des Fahrzeugs. Um dies zu verhindern, simulieren wir den Ungarn-Grand Prix auf dem Motorprüfstand in Viry. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf niedrigen Drehzahlen bei hohen Außentemperaturen.

Die staubige und sandige Umgebung rund um die Strecke erschwert die Vorbereitung auf dieses Rennen zusätzlich. Um zu verhindern, dass Sand und Schmutz in die Motoren eindringen, verbauen wir spezielle Filter. In enger Zusammenarbeit mit Total verwenden wir zudem Schmierstoffe von höchster Qualität, um zusätzliche Abnutzung durch den groben Sand zu verhindern. Kurz gesagt: Uns steht zum Ende der ersten Saisonhälfte ein hartes Rennen bevor.

Kurz notiert

Grands Prix, die in sandigen Regionen oder in Wüstennähe stattfinden – allen voran Bahrain Abu Dhabi oder Ungarn – können theoretisch den Motor erheblich schädigen. Die sehr kleinen Sand- und Schmutzpartikel sind physikalisch nichts anderes als feinste Glassplitter. Falls sie in das Motorinnere gelangen, wirken sie folglich sehr aggressiv und fördern den Verschleiß. Um diesem Effekt vorzubeugen, arbeiten die Motoren-Techniker eng mit den Chassis-Ingenieuren zusammen und entwickeln spezielle Luftfilter.
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