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ADAC Formel Masters
23.11.2011

Pascal Wehrlein: Schwaben-Bub mit Biss

Vor sieben Wochen endete die Saison 2011 des ADAC Formel Masters mit Pascal Wehrlein (ADAC Berlin-Brandenburg) an der Tabellenspitze, doch bis zur Übergabe des Meisterpokals musste sich der 17-jährige Worndorfer gedulden: Erst am vergangenen Samstag (19. November) erhielt er die begehrte Trophäe aus den Händen von ADAC Sportpräsident Hermann Tomczyk bei der ADAC SportGala in München.

Wehrlein ist der vierte Champion der seit 2008 ausgetragenen Formelschule – ein Porträt des Vorzeigeschülers, der von der ADAC Stiftung Sport gefördert wird. Ah ja, der Wehrlein – in seinem knapp 700 Einwohner zählenden Heimatort Worndorf in der tiefen schwäbischen Provinz und den Nachbargemeinden ist der neue ADAC Formel Masters-Champion durch seine Erfolge auf der Rennstrecke zu gewisser Berühmtheit gelangt.

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Man kennt den Teenager, der am 18. Oktober 17 Jahre alt geworden ist, als freundlichen, zurückhaltenden jungen Mann. Auf der Rennstrecke hat er sich in diesem Jahr von einer anderen Seite gezeigt: Zielstrebig und durchaus auch mit einer Prise Kompromisslosigkeit hat er insgesamt acht Siege eingefahren und sich souverän den Titel im ADAC Formel Masters 2011 gesichert.

Den Respekt der Gegner erkämpft

„Der Titelgewinn war mein Saisonziel“, so Wehrlein in Schwäbisch-freiem Hochdeutsch. „Dass ich diesen aber gegen so starke Konkurrenz vorzeitig gewinnen konnte, freut mich besonders.“ Der Vorsprung des ADAC Stiftung Sport-Förderpiloten in der Tabelle hätte sogar noch deutlicher sein können, wenn er sich nicht die eine oder andere Strafe eingehandelt hätte, zum Teil wegen zu harter Gangart auf der Strecke, wie die Sportkommissare befanden.

Das sei im Nachhinein betrachtet etwas ärgerlich, gibt er zu, habe ihm aber den Respekt der Konkurrenz eingebracht. „Es ist hilfreich, wenn sich die Gegner zweimal überlegen, ob sie sich auf ein Duell mit mir einlassen“, erklärt der ehrgeizige Jungrennfahrer. Dass Wehrlein ein Fan des ebenfalls zweikampfstarken Formel-1-Champions Lewis Hamilton ist, soll dabei nicht unerwähnt bleiben. „Es macht einfach Spaß, ihn bei seinen mutigen Überholmanövern im Fernsehen zuzuschauen“, begründet Wehrlein seine Sympathien. Ein anderes Vorbild ist Formel-1-Rekord-Weltmeister Michael Schumacher. „2009 bin ich in seinem Kart-Team gefahren und habe mich ein paar Mal mit ihm unterhalten. Er ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit mit einer unvergleichlichen Motorsport-Bilanz.“

Pokal-Flut überschwemmt Wehrleins Elternhaus

2003 bestritt Wehrlein die erste komplette Rennsaison im Hallen-Kartsport, nachdem er beim gemeinsamen Formel-1-Schauen mit seinem Vater Richard mit dem Motorsport-Virus infiziert worden war. 2005 ging es nach draußen auf die Rundstrecke. Nach vielen Siegen und Titelgewinnen folgte 2010 der Aufstieg in den Formel-Sport. Um sich voll auf die neue Aufgabe zu konzentrieren, beendete er seine aktive Fußballer-Laufbahn als Stürmer. Auch seine anderen Hobbys wie Snowboarden und Tischtennis stellte er hintenan.

Diese Konsequenz zahlte sich aus: In seiner ersten ADAC Formel Masters-Saison fuhr er unter Bewerbung des ADAC Berlin-Brandenburg und technischer Betreuung von Mücke Motorsport einen Sieg und drei Podestplätze ein. In der Abschlusstabelle 2010 belegte der Debütant Platz sechs. Im April 2011 startete der Teenager mental gefestigt und mit dazugewonnenem Selbstbewusstsein in seine zweite Saison. Die Pokal-Sammlung im Worndorfer Elternhaus, in dem der Feinmechaniker-Lehrling immer noch wohnt, wuchs vom Start weg an.

„Die Trophäen verteilen sich schon in allen Zimmern, in Vitrinen, auf Regalen und Anrichten und selbst auf dem Klavier“, so Wehrleins Wasserstandsmeldung in Sachen Auszeichnungen. Außerdem klebt er sich für jeden Rennsieg einen „Smiley“ auf die Karosse seines 145 PS starken Formel ADAC powered by Volkswagen – auch dort wurde der Platz 2011 langsam eng.

Lob vom Team

„Pascal ist mit unheimlich viel Talent gesegnet – und mit einem sensiblen ‚Popometer‘“, verrät sein Renningenieur Michael Häntschel. „Er kann für einen so jungen Rennfahrer eine sehr gute technische Rückmeldung geben und so entscheidend bei der Abstimmung mithelfen. Letztes Jahr fehlte es ihm noch etwas an Erfahrung und auch an Abgeklärtheit. 2011 ist er lockerer und kann auch besser mit Kritik umgehen.“ Und was ist der Hauptkritikpunkt? Häntschel: „Es kommt schon mal vor, dass sich Pascal auf seinem Erfolg ausruhen will. Dann muss man ihn anschubsen.“

Wehrlein war immer einer der Jüngsten im Feld

Wo immer Wehrlein debütierte, stets gehörte er zu den jüngsten Fahrern im Feld – das verlockt zu Vergleichen mit Sebastian Vettel. Der amtierende Formel-1-Weltmeister hatte seinen 17. Geburtstag allerdings bereits gefeiert, als er sich 2004 – wie Wehrlein mit dem Team Mücke Motorsport – den Titel in der Formel BMW ADAC sicherte, der Vorgängerserie des ADAC Formel Masters. Und auch Vettel zählte wie heute Wehrlein zum Förderkader der ADAC Stiftung Sport.

Noch ist die Formel 1 und die Nachfolge auf Vettels Thron Wehrleins Traumziel. Aber seine Erfolge sprechen sich auch in wichtigen überregionalen Medien bereits herum. Unlängst stufte die „Sport Bild“ Wehrlein als eines der größten Motorsport-Talente Deutschlands ein. Apropos Medien: Bei Lehrgängen der Deutschen Post Speed Academy hat er sich unter anderem unter Anleitung von „Mr. Boxengasse“ Kai Ebel fit gemacht im Umgang mit der Presse.

Wichtige Unterstützung erhält Wehrlein auch von seinen Eltern: „Sie stehen voll hinter mir und begleiten mich so oft es geht an die Rennstrecke. Sie üben aber nie Druck aus“, so Wehrlein, der seinen dunklen Teint und seine schwarzen Locken seiner aus Mauritius stammenden Mutter Chantal verdankt. Sie verfolgt die Rennen ihres schnellen Sohnes stets mit vor Aufregung leicht erhöhtem Puls. Und vor jedem Einsatz gibt sie ihm ein mütterliches „Fahr vorsichtig“ mit auf den Weg. Zum Leidwesen der Konkurrenz hält sich Wehrlein nicht immer hundertprozentig an Mutters Ratschlag ...
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