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Formel 1
30.08.2019

Christian Danner: „Hockenheim-Aus für mich eine Katastrophe!“

Mit dem Großen Preis von Belgien geht die Formel 1 an diesem Wochenende in die zweite Saisonhälfte. Die Mediengruppe RTL überträgt gleich auf drei Sendern. Das erste Freie Training am Freitag (11.00 Uhr) zeigen NITRO im frei empfangbaren TV und ntv.de online im Livestream. Das zweite Training am Nachmittag (15:00 Uhr) übertragen beide Sender linear bei n-tv. Auch TVNOW streamt beide Sessions. Am Wochenende übernimmt dann wie gewohnt RTL und überträgt das Qualifying (Samstag, ab 14.00 Uhr) und die Rennübertragung (Sonntag, ab 14.15 Uhr).

Die sportliche Ausgangssituation ist schnell umschrieben: Der Brite Lewis Hamilton (Mercedes) führt in der WM-Wertung mit 250 Punkten deutlich vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas (188) und dem Niederländer Max Verstappen (181), der in diesem Jahr immerhin schon zwei Siege einfahren konnte. Der viertplatzierte Sebastian Vettel (Ferrari) ist mit 156 Punkten dagegen noch sieglos.

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Dazu im RTL-Interview eine Analyse von Christian Danner, dem langjährigen Co-Kommentator und immer wieder auch Experten bei den RTL-Übertragungen. 

Herr Danner, was ist die Hauptursache für die schlechte Performance von Ferrari in der ersten Saisonhälfte?
Christian Danner: „Der Ferrari produziert zu wenig aerodynamischen Abtrieb, hat zu wenig Grip und daraus entstehen dann alle anderen Probleme. Also alles andere ist eine Folgeerscheinung der Tatsache, dass sie, egal was sie auch machen, nicht genug Abtrieb ans Auto kriegen.“

Das heißt, Sebastian Vettel könnte derzeit auch nicht mehr aus dem Auto herausholen, trotz seiner fahrerischen Skills?
„Nein, man ist auch als vierfacher Weltmeister in den Fähigkeiten des Auto gefangen. Wenn das Auto nicht schneller geht, kann er damit nicht schneller fahren. Er kann nur versuchen, die Ingenieure auf die richtige Spur zu führen und das ist ihm längst gelungen. Nur das, was die da machen, ist eine etwas längerfristige Geschichte. Von heute auf morgen geht da nichts. Das heißt nicht, dass sie in Spa nicht gut sein werden. Denn Spa ist eine Strecke, die den Grundmerkmalen des Ferraris 2019 gut entsprechen müsste.“

Ist Sebastian Vettel fahrerisch denn noch der Vettel, der vier WM-Titel geholt hat?
„Absolut. Der ist fahrerisch allemal auf der Höhe. Die Situation, in der er sich befindet, ist deswegen nur so schwierig, weil er zu den Problemen des Autos auch noch ein ganz kleines bisschen sein ganz eigenes Fehlerrepertoire erweitert hat. Allerdings ist dies wieder eine direkte Folge des schlechten Autos. Dieser Teufelskreis ist schwer zu durchbrechen.“

Glauben Sie denn noch daran, dass er dieses Jahr im Ferrari einen Sieg einfährt?
„Daran glaube ich auf jeden Fall. Hundertprozentig.“

Hat Ferrari denn überhaupt noch eine Motivation für die zweite Jahreshälfte, oder haben die längst auf Entwicklungsmodus geschaltet?
„Der Entwicklungsmodus für nächstes Jahr ist natürlich dabei zu geschehen. Aber ein Team wie Ferrari kann nicht einfach sagen, das war’s dann jetzt. Vor allem deshalb, weil die Regeln des kommenden Jahres mehr oder weniger identisch sind mit den Regeln dieses Jahres. Das heißt, all das, was dieses Jahr nicht funktioniert, funktioniert auch nächstes Jahr nicht. Oder andersrum; was wir dieses Jahr hinbekommen, ist gut und wird uns auch nächstes Jahr dazu verhelfen, Rennen zu gewinnen oder die WM zu gewinnen. Gut, das heißt, die entwickeln einfach weiter auf Teufel komm raus.“

Wie stehts denn im Team um das Binnenverhältnis? Wer hat derzeit die Nase vorn – Vettel oder Leclerc?
„Ach Gott, ich würde mal so sagen: bei den Bossen und in der Realität hat dort nach wie vor Sebastian den Hut auf. Fertig. Was Leclerc fährt, fährt Sebastian auch immer, wenn er das Auto halbwegs so hinbekommt, wie er es braucht. Leclerc ist allerdings derjenige, der dieses Jahr eher noch mehr Fehler als Sebastian macht. Er ist aber auch jemand, der sehr gut lernt. Das heißt, er wird kommendes Jahr ein wesentlich stärkerer Fahrer sein, mit dem man dann klarkommen muss. Aber damit hat Sebastian, glaube ich, kein Problem.“

Sebastian selbst hat kürzlich in einem RTL-Interview Rückzugsgedanken aus der Formel 1 dementiert. Sind die Spekulationen über seinen Rücktritt für Sie vom Tisch?
„Ich würde sagen, sie sollten vom Tisch sein. Er sagte: ‚Das ist Quatsch. Ich möchte gerne und ich werde, weil ich es gern habe, weiter Rennautos fahren.' Klarer kann man sich nicht ausdrücken.“

Wie geht es mit Nico Hülkenberg weiter, der nach der Saison bei Renault durch Estaban Ocon ersetzt werden soll?
„Diese Ocon-Sache lag ja auf der Hand, weil Nico Hülkenberg zwei Nachteile hat. Erstens ist er kein Franzose wie Ocon, der bei Renault wesentlich willkommener ist. Und zweitens ist Hülkenberg ein Mann, der eine gewisse Gehaltsvorstellung hat. Das ist bei Ocon definitiv nicht der Fall. Wie geht’s weiter mit Nico Hülkenberg? Es gibt ein paar Teams, die Interesse an ihm haben. Dazu gehört Haas, dazu gehört Alfa Romeo. Ein Zuckerschlecken wird es aber nicht für ihn, in der Formel 1 zu bleiben.“

Wer war in diesem Jahr der bislang beste Pilot?
„Lewis, eindeutig.“

Und Ihre Prognose für die zweite Saisonhälfte? Wann wird Lewis Weltmeister?
„Wann er Weltmeister wird, das auszurechnen überlasse ich der RTL-Datenbank. Aber es wird sich an der Großwetterlage nicht allzu viel ändern. Spannend wird zum Beispiel sein, in welch intensive Schlagdistanz Red Bull zu Mercedes kommen wird. Darin sehe ich ein paar sehr wichtige Entscheidungen für die Zukunft.“

Hockenheim fliegt aus dem Rennkalender raus. Das heißt: kein Großer Preis von Deutschland in der Saison 2020.
„Das ist natürlich eine Katastrophe. Wenn es Barcelona gelingt, weiterhin einen Grand Prix zu haben und wenn es in Österreich klappt und wenn es in Holland klappt, dann dreht es mir die Zehennägel auf, mit anschauen zu müssen, dass wir in Deutschland dazu offensichtlich nicht in der Lage sind. An welchen Details das jetzt gescheitert ist, will ich nicht kommentieren. Ich kann nur sagen, wir in Deutschland haben da in der internationalen Welt des Automobilsports einen ausgesprochen mittelmäßigen Eindruck hinterlassen. Und für mich ist das eine Katastrophe.“ 
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