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GTC
02.07.2014

Die „Poker-Bande“ beim GTC 9h-Rennen von Oppenrod

Man muss schon besonders gute Karten in der Hand halten, will man die für die GTC recht kurze Distanz von 9 Rennstunden als Sieger verlassen. 40 Teams, alle innerhalb von 1,4 Sekunden, die besten 30 sogar nur in einer Sekunde – das GTC-Feld rückt immer dichter zusammen. Dazu kommen abgezockte Profis bei der Taktik und technischen Vorbereitung der Einsatzkarts.

Da kommt es auf Feinheiten an, es sei denn, es fängt an zu regnen, dann schlägt die Stunde der Zocker. Besonders viel Grund zum Pokern hatte der Tabellenführer und Laufsieger von Templin mit 10 kg „Strafballast“. Der MSC Oberflockenbach kann im Zeittraining das Kart mit der Startnummer 33 noch auf die 20. Postion stellen, schafft im Rennen aber nur die – wie passend – 33.-schnellste Rennrunde. Wer dann aber die Flinte ins Korn wirft, hat schon verloren: also setzt man wie so oft auf Konstanz und Durchhaltevermögen, auch wenn es schwerfällt.

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Dicke Wolken schon fast zum Rennbeginn und es tröpfelte auch immer mal ein wenig. Der Himmel sah bedrohlich aus, aber öffnete seine Schleusen nur äußerst spärlich. In einer dieser „Tröpfel-Phasen“ pokern die Ersten und setzen auf Regenreifen. Mit dabei das Messebau Racing Team. Fazit: verzockt. Ein Top-Favorit ist damit hoffnungslos zurückgefallen. Dies galt aber auch für die Kartbahn Bad Rappenau (Hinterachse gewandert) oder die Scuderia Nove Rosso (Strafe wegen Untergewicht) und ganz schlimm für Born4Racing (unverschuldeter Unfall mit irreparablen Chassis). Es ging aber auch anders herum: Als nach 3,5 Stunden die Strecke eindeutig nass bis überflutet war, weigerten sich manche Teams standhaft, auf Regenreifen zu wechseln, bis man den Fehler viel zu spät korrigierte, waren einige Runden und Podest-Hoffnungen dahin. Die Oppenroder-Regenzeit brachte zwangsläufig einige Ausrutscher und Pace-Kart-Phasen. Prominenteste Opfer waren Shark Endurance Racing, die Cool Runnings und die Scuderia Kempten – alle mit nicht geplanten Standzeiten zwecks Instandsetzung der Einsatzgeräte.

In der letzten Rennstunde gab es mittlerweile rund herum wieder eine trockene Spur und die Kontrahenten belauerten sich. Wer wechselt zuerst auf Slicks? Wie üblich machen das die Teams, die zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu verlieren haben. Schön für die Spitze, denn diese können schauen, wie schnell die Slick-bereiften Teams unterwegs sind. Als dann das MSC O Junior Team als erste Mannschaft aus den Top-Fünf in die Box stach, wurde es interessant. Vor dem Stopp lagen sie mit einer Runde Rückstand hinter den Zehn Geboten und ATW Racing auf Platz drei. Danach waren sie drei Runden hinter der Spitze auf Rang sechs unterwegs, fuhren aber noch nicht wesentlich schneller als die Spitze. Runde um Runde gingen die Slicks aber besser und schon bald konnte man ein bis zwei Sekunden schneller fahren, als die restlichen der Top-Zehn, die alle noch mit Regenreifen unterwegs waren. Diese belauerten sich nach wie vor, nach dem Motto: „Wechselst du nicht, wechsel ich auch nicht.“

Noch 50 Minuten. Die Zehn Gebote liegen vor ATW-Racing. Es folgen mit einer Runde Rückstand Honda Spirit vor dem MSC O Junior Team, die mit ihren Slicks weiter aufholen. Pikanterweise müssen die ersten Beiden aber noch zu einem Fahrerwechsel in die Box. Honda Spirit und der MSC O haben dies schon erledigt. Wie man auch rechnet, nach einem Fahrerwechsel wären alle vier Rundengleich und die MSC O Junioren, als einzige auf Slicks, fuhren nun schon zwei Sekunden schneller. Wechseln die ersten Beiden bei ihrem Stopp auch auf Slicks, ginge ihnen wohl viel zu viel Zeit verloren.

Man belauerte sich weiter und je länger man den Wechsel hinausschob, umso größer wurde die Wahrscheinlichkeit, des der MSC O als lachender „Vierter“ vom Platz ging. Als der theoretisch beste Zeitpunkt für einen Fahrerwechsel längst überschritten war, hatten die ersten Beiden pures Glück. 15 Minuten vor Feierabend strandete die Startnummer 78 mit einer wandernden Hinterachse auf der Strecke. Pace-Kart! Die Zehn Gebote und ATW Racing stachen in die Box und wechselten die Fahrer nun unter Gelb. Die Zehn Gebote trafen dann noch die richtige Entscheidung, einen wandernden Radstern nicht zu fixieren und kamen so, ohne eine Rund zu verlieren, wieder auf die Strecke zurück.

Das MSC O Junior Team konnte es nicht fassen. Ohne die letzte Pace-Kart-Phase hätte es wohl locker gereicht, aber so lagen die ersten Beiden noch mit einer Runde vorn und da das Feld nur noch für zwei Runden unter Grün Gas geben durfte, retteten sich die Zehn Gebote mit einem schleifenden Hinterrad doch noch als Erster ins Ziel. Auch bei ATW Racing war man happy: „Der Regen hat uns schon geholfen, im trockenen wären wir wohl nicht so weit vorne reingefahren.“ Die 19.-schnellste Rennrunde belegte die Aussage von Teamchef Armin Buffy. Mit einem Sekundenvorsprung rettete sich Honda Spirit vor den MSC O Junioren ins Ziel. Platz fünf ging an den Sieger der Trophy-Klasse, H&R HBDL aus Siegen vor der Startnummer 33, dem MSC Oberflockenbach – und die waren trotzdem so richtig happy. Trotz 10 kg Handicapgewichts und dadurch nur mäßigen Speed als Sechster im Ziel und Tabellenführung verteidigt. Was will man mehr, als mit dem fast langsamsten Kart im Feld auf den sechsten Platz zu fahren? Schon viele Pokerspieler haben mit schlechten Karten eine Top-Platzierung erreicht.

Die Top-Ten beschlossen dann die Top-Teams, denen einfach das Glück fehlte. Shark Endurance Racing auf dem siebten Platz vor den Cool Runnings, der Scuderia Nove Rosso und die Hausexperten.de II. Damit ist Halbzeit in der GTC. In der zweiten Saisonhälfte gibt es aber einige Punkte mehr einzufahren, als bei den ersten drei Veranstaltungen. Abschreiben sollte man da keinen. Im letzten Jahr hatte zu diesem Zeitpunkt das Messebau Racing Team gerade einmal einen einzigen Meisterschaftspunkt eingefahren: Am Ende durfte man den vierten Platz mit 161,5 Punkten feiern.
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