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Rallye WM
31.07.2013

Vollgas-Festival bei der Formel 1 im Wald

Kilometerlang Vollgas und weite Sprünge dicht an den Bäumen vorbei: Volkswagen startet in der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) mit breiter Brust zur „Formel 1 im Wald“ – der Rallye Finnland.

Vom 01. bis 03. August wird den drei Polo R WRC und den Fahrer/Beifahrer-Duos Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila (FIN/FIN), Sébastien Ogier/Julien Ingrassia (F/F) sowie Andreas Mikkelsen/Mikko Markkula (N/FIN) auf einer der herausragenden Schotterrallyes der Saison alles abverlangt. Volkswagen geht selbstbewusst in die insgesamt 23 Wertungsprüfungen über 324,21 Kilometer – das Team startet als führender Hersteller, Sébastien Ogier als führender Fahrer und Julien Ingrassia als führender Beifahrer der WM-Wertung.

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„Die Rallye Finnland ist für viele der Inbegriff des Rallye-Sports und eine der Ikonen der Weltmeisterschaft“, so Volkswagen Motorsport-Direktor Jost Capito. „Höchstgeschwindigkeiten um 200 Kilometer pro Stunde, Sprünge bis 60 Meter – spektakulärer geht es nicht, und dies wird Jahr für Jahr von bis zu 100.000 begeisterten Fans vor Ort verfolgt. Ehrensache, dass Volkswagen seinen Anhängern großen und fairen Sport zeigen möchte. Der Polo R WRC muss sich auch unter diesen extremen Bedingungen mit hohem Vollgas-Anteil beweisen.

Gefühltes Heimspiel für Volkswagen und der Grundsatz „Finnish first“
Gleich drei der sechs Volkswagen Akteure feiern in Finnland ihr Heimspiel – dem achten von ingesamt 13 Saisonläufen der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC): Jari-Matti Latvala und Miikka Anttila, die als Fahrer und Beifahrer im Polo R WRC mit der Startnummer 7 antreten, sowie Mikko Markkula, der als Beifahrer die Ansagen für Andreas Mikkelsen im Schwesterauto mit der Nummer 9 macht.

Beim achten Saisonlauf steht ein Grundsatz wie ein ehernes Gesetz: Finnish first! In den 62 bisher ausgetragenen Finnland-Rallyes siegte 52 Mal ein Finne. Unter ihnen: Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila, die 2010 ihren ersten und bislang einzigen Heimsieg innerhalb der Rallye-Weltmeisterschaft feierten. Insgesamt schlagen acht Laufsiege in der Top-Kategorie des Rallye-Sports für Jari-Matti Latvala zu Buche – zuletzt mit dem Polo R WRC bei der Rallye Griechenland.

Präzision gefragt: Millimeterarbeit bei 200 Sachen
Der richtige Anstellwinkel vor dem Abheben über eine Sprungkuppe, präzise Ansage des Aufschriebs – der Null-Fehler-Job von Fahrer und Beifahrer ist bei der Rallye Finnland auf besondere Weise gefragt. Der Weltrekord für den weitesten Sprung in der Rallye-WM-Geschichte stellte 2003 beispielsweise Markko Märtin auf der Wertungsprüfung „Ouninpohja“ mit 57 Metern auf. 57 Meter ohne Rad auf dem Boden, 57 Meter ohne Einfluss des Fahrers. Nur wer absolute Fahrzeugbeherrschung und die punktgenaue Anfahrt eines solchen Sprungs vereint, wird am Ende erfolgreich sein. Fehler? Fehl am Platz. Auch wenn allein der Gedanke an die Sonderprüfung „Ouninpohja“ am Finaltag (Samstag) bei eingefleischten Rallye-Fans Gänsehaut hervorruft, hat die Rallye Finnland weitere echte Herausforderungen im Programm – beispielsweise die Prüfungen „Ruuhimäki“, auf der am Mittwoch das Zeittraining ausgetragen wird, oder „Mökkiperä“ am Freitag.

Typisch Rallye Finnland: 1.000 Seen, Abertausende Fans
Die Rallye Finnland wurde von 1951 bis 1994 unter dem Namen „1000-Seen-Rallye“ ausgetragen, bevor sie auf Wunsch des Hauptsponsors umbenannt wurde. Auch die Ausgabe 2013 macht der alten Bezeichnung noch alle Ehre: Die WP „Palsankylä“ führt am Rallye-Samstag an mehreren spiegelnden Seen vorbei – auch wenn für die Rallye-Fahrer die Sicht darauf meist durch Bäume verdeckt wird. Die Fans genießen dagegen das besonderen Finnland-Flair: Die Rallye-Hauptstadt Jyväskylä, in deren Alltag etwa 30.000 der rund 130.000 Einwohner an den Universitäten der Stadt studieren, wird während der Rallye von Abertausenden Schlachtenbummlern bevölkert.

Triumvirat mit Ehrgeiz und Motivation: Ogier, Latvala, Mikkelsen
Magische Zahlen: Die Zwei für Jari-Matti Latvala, die Eins für Sébastien Ogier oder die Drei für Andreas Mikkelsen – die Volkswagen Piloten sind hoch motiviert, der eigenen Statistik etwas Besonderes hinzuzufügen. Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila nehmen den zweiten Sieg bei der Rallye Finnland fest ins Visier, der gleichzeitig auch den zweiten in Volkswagen Diensten bedeuten würde. Das finnische Werksduo liegt derzeit an zweiter Stelle der Fahrer- und Beifahrerwertung innerhalb der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC). Die Eins ist auch nach der Rallye Finnland vergeben: an ihre Teamkollegen Sébastien Ogier/Julien Ingrassia. Der Vorsprung der Franzosen ist groß genug, auch nach dem achten Saisonlauf an der Spitze der Tabelle zu stehen. Für Ogier/Ingrassia definitiv kein Grund, nur einen Hauch nachzugeben: Ihr Ziel ist der persönlich erste Sieg bei der Rallye Finnland. Eins, Zwei oder Drei – das Nachwuchsduo Andreas Mikkelsen/Mikko Markkula hat einen Meilenstein in der eigenen Entwicklung fest anvisiert: das erste Podiumsresultat in der Rallye-WM, nachdem das norwegisch-finnische Duo in Griechenland den herausragenden vierten Rang erkämpft hatte.

Die drei Volkswagen Duos stellen sich dabei stärkster Konkurrenz: Die Gegner von Citroën siegten drei Mal in den vergangenen fünf Jahren und haben mit Mikko Hirvonen ebenfalls einen Fahrer mit Heimvorteil in ihren Reihen. M-Sport Ford kann seinerseits auf zwei Siege in den vergangenen fünf Jahren verweisen (je einen für Hirvonen und Latvala), und ihre jungen Piloten Østberg, Novikov und Neuville sind natürlich erpicht, den arrivierten Stars die Fahrt zum Sieg möglichst schwer zu machen.

Stimmen vor der Rallye Finnland

Jari-Matti Latvala, Polo R WRC #7
„Von der Stimmung her ist die Rallye Finnland die beste der gesamten Meisterschaft. Es ist eine prestigeträchtige Rallye – wie die in Monte Carlo, die jeder Fahrer einmal gewinnen möchte. Sie ist einfach die viel zitierte Formel 1 im Wald. Die Abstände unter den Fahrern sind sehr gering, von Beginn an ist es stets ein packender Kampf. Man muss genau auf seine Ideallinie achten, um den perfekten Sprung oder Drift zu schaffen. Es kommt sehr auf die Recce an, um die Sprünge richtig einschätzen zu können. Die Bremspunkte vor und nach den Sprüngen sind ebenfalls sehr wichtig. Bei der Mehrzahl der Sprünge muss man zu 100 Prozent Vollgas geben. Und wenn du gewinnen willst, dann braucht es auch manches Mal 105 Prozent.“

Sébastien Ogier, Polo R WRC #8
„Ich möchte meine WM-Führung natürlich bis zum Saisonende behalten. Wir haben die Sommerpause angesichts dieser komfortablen Situation genossen. In Finnland möchte ich wieder angreifen, in erster Linie wichtige Punkte holen und auch um meinen ersten Sieg dort kämpfen. Ich liebe diese Rallye. Allerdings werden die finnischen Fahrer eine sehr ernste Konkurrenz darstellen, darunter vor allem mein Teamkollege Jari-Matti Latvala. Es ist die schnellste Rallye im Kalender. Die Umgebung ist wunderschön, die Piste sehr eben. In Finnland gibt es zudem sehr viele schnelle Kuppen und blinde Kurven. Die finnischen Fahrer sind diese Art von Streckenprofil gewohnt. In diesem Jahr werden wir wieder die Wertungsprüfung ‚Ouninpohja‘ fahren, ein sehr berühmter Ort in Finnland. Ich werde sie erstmals mit einem World Rally Car fahren, worauf ich mich sehr freue.“

Andreas Mikkelsen, Polo R WRC #9
„Ich habe schon vier Mal an der Rallye Finnland teilgenommen, es ist allerdings schon eine Weile her, dass ich dort mit einem World Rally Car gefahren bin. Die Geschwindigkeiten sind dort höher als bei jeder anderen Rallye. Ich mag diese Art von Piste – den harten Untergrund – sehr und freue mich darauf. Mein Beifahrer Mikko Markkula kennt als Finne die Wertungsprüfungen der Rallye sehr gut. Er weiß, wo man schnell fahren kann und wie man die unterschiedlichen Kurven nehmen muss. Das ist ein Vorteil, weil die Rallye wirklich außergewöhnlich ist. ,Ouninpohja‘ beispielsweise ist eine ganz besondere Wertungsprüfung. Es gibt so viele schnelle Kuppen und Kurven, die nicht einzusehen sind. Der Aufschrieb muss deshalb unbedingt präzise sein, sonst stimmt die Linie nicht. Wenn man den Eingang nicht richtig erwischt, fliegt man am Kurvenausgang von der Bahn. Und man muss seinen gesamten Mut zusammennehmen.“

Volkswagen in der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC)
Mit dem Start in der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) schreibt Volkswagen seine erfolgreiche Geschichte im Motorsport fort. Nach den drei Erfolgen mit dem Race Touareg bei der Rallye Dakar ist der Polo R WRC das erste World Rally Car der Wolfsburger, die in dieser Saison erstmals mit einem eigenen Werksteam in der Königsklasse des Rallye-Sports antreten. Dort bietet sich für Volkswagen die Möglichkeit, sich im direkten sportlichen Wettstreit global zu beweisen. Kein Modell eignet sich dafür besser als der Polo, eines der weltweit hergestellten und vertriebenen Modelle von Volkswagen.

Drei Fragen an Dr. Donatus Wichelhaus, Leiter Motorenentwicklung

Es gibt in der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) unterschiedliche Extremsituationen für einen Motor. In Mexiko war das die Höhenluft, in Griechenland war das Drehmoment ein Schlüsselfaktor und in Finnland wird es der Top-Speed sein. Welche Freiheiten bleiben den Ingenieuren bei der Anpassung des Motors?
„Der Motor ist homologiert und als sogenanntes Masterpart bei der FIA hinterlegt. Das heißt, dass alle Maßnahmen, die beispielsweise den Drehmomentverlauf beeinflussen würden – etwa andere Steuerzeiten oder ein anderer Aufbau –, gar nicht möglich sind. Der Motor bleibt also bei allen Rallyes vom physischen Aufbau absolut identisch. Man darf allerdings das Motor-Mapping an die Wetterverhältnisse anpassen. Das sind Kleinigkeiten, die oftmals allein während des Shakedowns geschehen. Daran wird dann nichts mehr geändert.“

Sie gelten als der Vater des Rallye-WM-Motors von Volkswagen, der wie das Team bereits in seinem Debütjahr große Erfolge vorzuweisen hat. Worauf sind Sie besonders stolz?
„Das gesamte Team, das diesen Motor entwickelt hat, darf auf sich stolz sein. In der Motorsport-Szene wird sehr respektvoll vom Volkswagen Motor gesprochen. Das zeigt, dass wir sowohl in der Vorbereitung als auch in der ersten Saisonhälfte eine gute Arbeit abgeliefert haben. Auch die Fahrer haben uns diesbezüglich positives Feedback gegeben. Wir haben in der Motorentwicklung als kleines Team im Team innerhalb kürzester Zeit mit viel Engagement und Leidenschaft einen sehr wettbewerbsfähigen Motor entwickelt. Vor der ‚Monte‘ im Januar ging in unserer Abteilung das Licht immer sehr spät aus. Auf diesen Mannschaftsgeist bin ich ungeheuer stolz.“

Sie haben in der Entwicklung des Motors auch auf die Ressourcen in Wolfsburg zurückgegriffen, wo die Motoren für die Serienfahrzeuge entstehen. Wie wertvoll war es, dieses Wissen zusätzlich anzuzapfen?
„Es war äußerst hilfreich, dass wir die zahlreichen Entwicklungstools von den Kollegen aus Wolfsburg nutzen durften. Die Serienerfahrung aus Wolfsburg, wie zum Beispiel beim Thema Downsizing, ist unserer eigenen Entwicklung für den Motorsport zugute gekommen. Das hat in der Summe zu der hohen Qualität des Motors geführt. Im Gegenzug stellen wir alle gewonnenen Erkenntnisse der Motorsport-Abteilung unseren Kollegen in Wolfsburg zur Verfügung. So ist in den vergangenen Jahren ein sehr guter Austausch in beide Richtungen entstanden.“

Die Zahl zur Rallye Finnland: 8.500
Das Reglement der FIA Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) schreibt vor, dass die 1,6-Liter-Turbomotoren die Drehzahl von 8.500 U min–1 nicht überschreiten. Gerade bei der Rallye Finnland ein entscheidender Faktor. Nur wer diesem Maximalwert bei den langen Vollgasabschnitten möglichst nahekommt, ohne ihn zu überschreiten, holt das Maximum heraus – denn jenseits der Grenze muss die Einspritzung des Motors elektronisch abgeschaltet werden. Die Ingenieure von Volkswagen haben sich mit einer Anpassung der Motorsteuerung und Tests vor der Rallye darauf vorbereitet. Knackpunkt: Haben die World Rally Cars bei den zahllosen Sprüngen die Räder in der Luft, steigt die Drehzahl angesichts des fehlenden Widerstands über den magischen Wert und die Einspritzung wird abgeschaltet. Doch vor dem Landen sollte die Wunschdrehzahl wieder anliegen, um keinen Vortrieb und damit Zeit zu verlieren.
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