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Rallye WM
07.09.2014

Entscheidung in Down Under – VW mit Titel-Ambitionen

Mit dem zweiten „Matchball“ greift Volkswagen bei der Rallye Australien nach dem Titel in der Hersteller-Wertung der FIA WRC. Vom 11. bis 14. September starten zudem die VW-Duos Sébastien Ogier / Julien Ingrassia, Jari-Matti Latvala / Miikka Anttila und Andreas Mikkelsen / Ola Fløene in Down Under im teaminternen Kampf um die Fahrer- und Beifahrer-Wertung.

Denn eines steht bereits fest: Nur einer der Fahrer eines Polo R WRC wird am Ende den Titel für sich entscheiden, da rechnerisch nur die Volkswagen-Piloten ausreichend Punkte auf dem Konto haben. Getreu dem Motto „Möge der Beste gewinnen“ ist eine Stallregie bei Volkswagen tabu, wenn sich das Werksteam aus Wolfsburg der einzigartigen und gleichzeitig einer der herausforderndsten Rallyes des Jahres stellt. Auf der Agenda: 20 Wertungsprüfungen mit 315,30 Kilometern gegen die Uhr.

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„Die Rallye Australien ist eines der Highlights des Jahres“, so Volkswagen Motorsport-Direktor Jost Capito. „Mit der aktuellen Situation in der WM hat sie 2014 das Potenzial, besonders aufregend zu werden. Beim Duell Ogier gegen Latvala haben beide grünes Licht, um den Sieg zu kämpfen. Zusätzlich haben wir die große Chance, schon frühzeitig den Gewinn des Hersteller-Titels zu feiern. Im vergangenen Jahr haben wir 21 von 22 Prüfungen für uns entschieden und die längste Siegesserie in der Rallye-WM-Geschichte begonnen. Darauf sind wir sehr stolz. Erneut erfolgreich zu sein, wird allerdings nicht einfach. Die Rallye Australien bietet zahlreiche unterschiedliche Herausforderungen und hat viele knifflige Passagen, auf denen Fehler sehr leicht passieren können. Wie schnell eine Rallye zu Ende sein kann, haben wir zuletzt bei unserem Heimspiel gesehen. Doch gerade bei großen Herausforderungen schmecken Siege besonders süß. Diesmal würden wir gern wieder die süße Seite erleben.“

Matchball in Down Under: Fünf Punkte fehlen zum Gewinn der Hersteller-WM

Volkswagen hat in Australien die Möglichkeit, frühzeitig den Gewinn der Hersteller-WM zu feiern. Fünf Punkte müssten Sébastien Ogier und Jari-Matti Latvala gemeinsam sammeln, um den Traum perfekt zu machen – im Falle eines Citroën-Doppelsieges, wohlgemerkt. In jedem Fall reicht es, 129 von derzeit 167 Punkten Vorsprung auf die Konkurrenz zu verteidigen. Sollte das gelingen, wäre es ein historischer Triumph. Denn die erfolgreiche Titelverteidigung wäre, wenn in Australien dingfest, die frühzeitigste Entscheidung seit 25 Jahren – nach gut drei Vierteln der Saison.

Ogier versus Latvala – ein spektakulärer Evergreen, Neuauflage in Australien

Das Duell Ogier gegen Latvala hält die Fans seit Beginn der Saison in Atem. Vor der Rallye Australien hat Sébastien Ogier in der Fahrer-Wertung der Rallye-WM 44 Zähler Vorsprung auf seinen Volkswagen Teamkollegen Jari-Matti Latvala. Acht der neun Saison-Rallyes entschied einer von beiden für sich – fünfmal Ogier, dreimal Latvala. Doch auch in der Historie der Rallye-WM hat das Dauer-Duell seinen Einschlag: Schon dreimal zählte der Zweikampf Ogier – Latvala zu den zehn engsten Rallye-WM-Entscheidungen aller Zeiten. 2011 schlug Ogier Latvala in Jordanien um 0,2 Sekunden. 2010 in Neuseeland lag Latvala nur 2,4 Sekunden vor Ogier. Der knappste Ausgang, seit beide für Volkswagen antreten, datiert von der Rallye Finnland in diesem Jahr, als Latvala mit 3,6 Sekunden seinen Heimsieg gegen Ogier feierte.

Und dann wäre da noch Mikkelsen – Youngster in Topform

Bei neun Rallyes siebenmal in den Top Fünf, davon dreimal auf dem Podium – Andreas Mikkelsen absolviert 2014 seine bisher stärkste Saison im Rallye-Sport. Der Champion der Intercontinental Rally Challenge (IRC) von 2011 und 2012 liegt mit 77 Zählern Rückstand hinter Sébastien Ogier und Jari-Matti Latvala auf Rang drei der Gesamtwertung und ist einer der drei Fahrer, die rechnerisch noch Weltmeister werden können. Mit der Rallye Australien geht der 25-jährige Youngster wieder eine Schotter-Rallye an – sein bevorzugtes Terrain. Zudem hegt Mikkelsen gute Erinnerungen an die Rallye Australien 2013, die er bei seinem Debüt dort als Sechster beendete.

Typisch Rallye Australien: schnelle Landstraßen, knifflige Waldwege

20 Wertungsprüfungen, 315,30 Kilometer auf Zeit, drei Tage – die Rallye Australien rund um Coffs Harbour im Bundesstaat New South Wales präsentiert sich als kompakte Herausforderung. Die Wertungsprüfungen besitzen dabei grundsätzlich verschiedenen Charakter: Superschnell durchquerte Landstraßen wechseln sich mit engen, verwundenen Routen durch dichte Wälder ab. Viele blinde Einlenkpunkte machen den Fahrern und Beifahrern das Leben schwer. Die wohl typischste Wertungsprüfung der Rallye Australien haben die Veranstalter für Sonntag angesetzt, wenn die Rallye-Action nördlich von Coffs Harbour ausgetragen wird. „Wedding Bells“ im hügeligen Wedding Bells State Forest bietet knackige 9,23 Kilometer gegen die Uhr und bildet beim zweiten Durchgang die sogenannte Powerstage, bei der Extrazähler für die besten drei vergeben werden.

Die wohl größte Herausforderung erwartet die Teilnehmer jedoch am Samstag auf der südlichsten Prüfung der Rallye Australien, der WP „Nambucca“. Sie stellt mit 48,92 Kilometern die längste Sonderprüfung der Rallye dar. Ein großes Plus der Rallye Australien sind die kurzen Wege: Die Zuschauerpunkte liegen nur zwischen 30 und 60 Minuten Fahrzeit vom Zentrum in Coffs Harbour entfernt. Die World Rally Cars absolvieren an den drei Rallye-Tagen gerade einmal 632,80 Kilometer an Verbindungsetappen.

Stimmen vor der Rallye Australien

Sébastien Ogier: „Die Rallye Australien ist ganz nach meinem Geschmack. Ich liebe das Layout der Wertungsprüfungen und fühle mich in Down Under immer gut. 2013 lief es für Julien und mich nahezu perfekt: 19 Bestzeiten auf 22 WPs, dazu haben wir uns drei Zusatzpunkte mit dem Gewinn der Powerstage gesichert. Das möchten wir natürlich in diesem Jahr wiederholen. Es wird jedoch alles andere als einfach: Am ersten Tag gehen wir als Erste auf die WPs, außerdem ist die Konkurrenz nah dran und hellwach – das hat Hyundai mit dem Sieg und Platz zwei in Deutschland bewiesen. Fehler werden bestraft, das haben wir zu spüren bekommen – aber so ist der Rallye-Sport. Die Rallye Deutschland liegt hinter uns und wir schauen nach vorn. Zum Glück geht es Julien und mir nach dem Unfall rundum gut. Wir haben zur Sicherheit einige Tests gemacht, die durchgehend positiv waren. In Deutschland haben wir zwar den Fahrertitel für Volkswagen gesichert, nicht aber die Hersteller-Meisterschaft. Das ist definitiv das Ziel für Australien.“

Jari-Matti Latvala: „Die Rallye Australien ist immer etwas Besonderes. Ich mag den entspannten Lebenswandel der Menschen, die Landschaft und die Nähe zum Ozean bei dieser Rallye. Sportlich gesehen wechseln wir zurück von Asphalt auf Schotter, was in dieser Richtung immer etwas schwieriger ist als umgekehrt. Doch wir absolvieren zuvor in Finnland noch einen kurzen Test, um uns noch mal an das Gefühl und vor allem an die unterschiedlichen Bremspunkte zu gewöhnen. Finnland ist eine gute Wahl, denn in Down Under ist eine Fahrzeugabstimmung zwischen Rallye Mexiko und Rallye Finnland gefragt. Am ersten Tag, an dem vermehrt enge, technische Passagen durch den Wald anstehen, ist es eher wie in Mexiko. Der zweite Tag mit seinen breiten, schnellen und weit gezogenen Passagen ist eher wie in Finnland. Wir brauchen also zwei verschiedene Set-ups: eins weicher, eins härter. Da hilft, dass der Shakedown diesmal auf einer der WPs, nur in umgekehrter Fahrtrichtung, ausgetragen wird. Das gibt uns ein gutes Gefühl für die tatsächliche Strecke. Leider haben wir zuletzt in Deutschland verpasst, in der Meisterschaft die Lücke zu meinem Teamkollegen Sébastien Ogier zu schließen. Wir fangen also beim selben Stand an. Ich hoffe, dass ich mit um den Sieg kämpfen kann. Aber wir müssen auch die Konkurrenz außerhalb unseres Teams fest im Auge behalten. Ich denke, dass Citroën und Hyundai ebenfalls gute Chancen auf den Sieg haben.“

Andreas Mikkelsen: „Zurück auf Schotter, das mag ich. Die Rallye Australien gehört zu den Läufen in diesem Jahr, die ich bereits einmal mit dem Polo R WRC absolviert habe. Obendrein habe ich gute Erinnerungen an die Rallye. Damals habe ich jede Wertungsprüfung genossen. Viele davon werden wir in diesem Jahr erneut angehen. Es sind viele blinde Einlenkpunkte im Wald dabei, was alles andere als einfach ist. Man kann ganz leicht einen Fehler machen und sich die Rallye ruinieren. Besonderes Augenmerk müssen wir auf ‚Nambucca‘ legen, denn sie ist nicht nur die längste, sondern womöglich auch die schwierigste WP der Rallye Australien. Auf knapp 50 Kilometern hat sie all das, was einem Rallye-Fahrer das Leben schwermachen kann. Neben den vielen blinden Ecken auch den Wechsel auf Asphalt. Aber wir können in diesem Jahr auf die Onboard-Aufzeichnungen von 2013 zählen, und die werde ich genau studieren. Generell empfinde ich aber wenig Druck, denn in der Fahrer-Wertung haben wir gute Voraussetzungen. Und wann immer ich mit wenig Druck an den Start gegangen bin, kam ein ordentliches Ergebnis dabei heraus. Ich würde gern wieder auf das Podium fahren. Natürlich wäre es schön, eines Tages auch einmal eine Rallye zu gewinnen, aber das hat keine Eile. Die Rallye Australien ist aber sicher eine der Rallyes, bei denen ich die besten Chancen dazu habe.“

Drei Fragen an Logistik-Manager Lutz Meyer

Es geht nach Australien – wie viel Mehraufwand verursachen Übersee-Rallyes im Vergleich zu Europa-Events?
Lutz Meyer: „Kurz und knapp: Wir mussten innerhalb von drei Tagen alles fertig haben. Wir haben am Sonntag in Trier abgebaut und in der Nacht auf Montag die Fahrzeuge plus die wichtigen Teile nach Hannover geschickt, damit sie Montagmorgen dort sind. Die Mechaniker und ich waren am Montag nach der Rallye Deutschland morgens wieder in der Firma. Die ganzen Teile kamen in die Fachabteilungen zur Revision, am Montag und Dienstag wurden sie revidiert, am Mittwoch haben wir sie in die Container verladen, aufgelistet, Zolllisten erstellt und die Zollabfertigung gemacht – und dann ging es schon wieder raus zur Luftfracht. Innerhalb Europas haben wir dazu wenigstens eineinhalb Wochen Zeit.“

An wie vielen Tagen im Jahr denken Sie mal nicht an Rallye und Logistik?
Lutz Meyer: „Die gibt es eigentlich nicht. Vielleicht an Heiligabend und am ersten und zweiten Weihnachtstag nicht. Doch selbst da hat man keinen freien Kopf, weil Mitte Januar schon wieder die Rallye Monte Carlo ansteht. Eigentlich denkt man jeden Tag mindestens einmal daran – dann fällt dir dies oder das ein und du schreibt es auf. Für freie Tage habe ich mit meiner Freundin eine Abmachung getroffen: Eine halbe Stunde am Tag widme ich der Firma. Ich mache das, um sicherzustellen, dass die wichtigsten Dinge bearbeitet sind und der Prozess reibungslos weiterläuft.“

Bei so viel Logistik im Job – wer plant bei Ihnen zu Hause die Urlaubsreise?
Lutz Meyer: „Das macht meine Freundin, den Luxus gönne ich mir. Sie übernimmt die Urlaubsplanung, vergleicht und wägt ab. Und dem Ergebnis stimme ich dann gern zu.“

Die Zahl zur Rallye Australien: 1,8

Das Volkswagen Duo Sébastien Ogier / Julien Ingrassia lieferte vergangenes Jahr in Australien die beinahe perfekte Rallye ab. 19 von 22 möglichen Prüfungsbestzeiten, eine Gesamtzeit von 3:19.55,0 Stunden. Die ideale Rallye-Zeit (3:19.53,2 Stunden), die aus der Summe aller WP-Bestzeiten gebildet wird, verpassten Ogier / Ingrassia um 1,8 Sekunden.
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